Zukunftschancen

Mutig sein und Durchstarten - mit Christina Wilfinger

Episode Summary

Christina Wilfinger ist 39 Jahre alt, eine digitale Durchstarterin und geborene Führungskraft. Was als Schulsprecherin begann, hat sie heute bis an die Spitze von SAP Österreich gebracht. Viele mutige Entscheidungen haben ihr dabei geholfen und die Einstellung, dass Stillstand nie eine Option ist. Durch das Gespräch führt Marina Herzmayer. Dieser Podcast wird präsentiert vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.

Episode Notes

Christina Wilfinger ist 39 Jahre alt, eine digitale Durchstarterin und geborene Führungskraft. Was als Schulsprecherin begann, hat sie heute bis an die Spitze von SAP Österreich gebracht. Viele mutige Entscheidungen haben ihr dabei geholfen und die Einstellung, dass Stillstand nie eine Option ist. Durch das Gespräch führt Marina Herzmayer. 
Dieser Podcast wird präsentiert vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.

Episode Transcription

[Intro-Musik]

 

Marina Herzmayer:    Ich begrüße heute bei mir eine digitale Durchstarterin. Christina Wilfinger ist 39 Jahre alt und eine geborene Führungskraft. Was als Schulsprecherin begann, hat sie heute bis an die Spitze von SAP Österreich gebracht. Viele mutige Entscheidungen haben ihr dabei geholfen und die Einstellung, dass Stillstand nie eine Option ist.

                                   Mein Name ist Marina Herzmayer und ich führe heute durch dieses Gespräch.

 

[Musik]

 

Marina Herzmayer:    Hallo Christina! Schön, dass wir bei dir in Wien sein dürfen, heute.

 

Christina Wilfinger:     Herzlich Willkommen bei uns in der Lassallestraße.

 

Marina Herzmayer:    Christina, ich habe schon ein paar Ankündigungen von dir gemacht. Ich würde gerne zurückschauen einige, einige Jahre, weil dieses Umtriebige, das du hattest, das ist quasi so in deiner Natur glaube ich. Das war schon als Kind so. Wie hat das bei dir denn so begonnen? Was waren so die Dinge, wo du jetzt sagst, das war schon in meinem Blut. Das hatte ich als Kind schon in mir.

 

Christina Wilfinger:     Ja ich kann natürlich sehr stark hier nur auf die Erzählungen meiner Eltern zurückgreifen. Aber, dass ich immer ein sehr neugieriges Kind war und ein sehr ungeduldiges Kind war, das kenne ich natürlich aus den Geschichten und Erzählungen. Was mich immer angespornt hat, ist, Dinge zu hinterfragen und vor allem dann auch Dinge anders zu machen. Und das glaube ich zieht sich durch meinen gesamten Lebensweg durch. Und wenn ich an die ein oder andere Geschichte in meiner Kindheit zurückdenke, auch das Thema, Verantwortung zu übernehmen. Auch wenn ich das vielleicht als 5-Jährige oder als 7-Jährige nicht so in diesen Terminus gebracht hätte, hat das schon sehr früh begonnen. Sei es jetzt nur darum zu sein, dass ich bei der Knickerbocker Bande sofort immer den Lead übernehmen wollte und gesagt habe, wo es lang geht. Also irgendwo glaub ich, ist das schon in meinem Blut.

 

Marina Herzmayer:    Würdest du sagen, das sind auch schon so die Basisbausteine für das, was dich heute ausmacht?

 

Christina Wilfinger:     Ahm, ja. Ich meine, da gibt es unterschiedliche wissenschaftliche Theorien dazu: Was macht einen Menschen aus, warum er so wird wie er wird? Was bekommt man mit? Was erlernt man? Was ist viel an Erfahrungen? Ich glaube es macht den Mix aus. Und in meinem Fall ist es sicherlich auch ein Mix zwischen einer sehr analytischen Person, aber auch einer sehr kreativen Person. Und die Neugier hat dann quasi die Kirsche noch draufgesetzt.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Neugier ist allgemein glaube ich eine gute Eigenschaft. Du hast ja in jungen Jahren schon, du hast es gerade angesprochen, kreative analytische Seite … da ist natürlich auch die Entscheidung schultechnisch gleich einmal da. Da hat es einige Gabelungen gegeben in deinem Leben mit gravierenden Entscheidungen. Gerade bei solchen Entscheidungen, da will man ja unbedingt die richtige Entscheidung treffen. Denn, wie man das weiß, wenn man sich für den einen Weg entscheidet, kann das das ganze Leben verändern. Wie bist du damit umgegangen?

 

Christina Wilfinger:     Rückblickend gesprochen würde ich die Entscheidungen gleich noch so treffen, wie ich sie damals getroffen habe. Aber das weiß man natürlich nicht mit 14. Und ich glaube auch nicht, ob es wirklich eine richtige oder eine falsche Entscheidung ist. Viele Dinge sind vielleicht auch ein glücklicher Zufall gewesen. In meinem Fall, dadurch, dass ich das dritte Kind bin, habe ich mir natürlich schon viel von meinen Geschwistern abschauen können. Und in dem konkreten Fall war es relativ klar, dass ich gewusst habe, was ich nicht machen möchte oder wie ich es nicht machen möchte. Ich kann mich nur bei meiner Schwester erinnern … die war mit 18 dann so quasi in der Inskriptionsschlange an der Universität und hat dann so wie bei 1, 2 oder 3 zwischen Jus und BWL kurz vorm Schalter gewechselt, weil sie es eigentlich nicht so genau gewusst hat. Am Ende des Tages ist sie heute auch super erfolgreich und sehr glücklich mit ihrem Job. Aber das hat mich so geprägt, zu sagen, das wollte ich nicht. Und deshalb habe ich für mich dann auch … ja … auch mit vielen Gesprächen, mit Zutun, und du hast es angesprochen … Bei mir waren zwei sehr, sehr unterschiedliche Richtungen auf dem Tisch. Das eine war, dass ich ins Musikgymnasium gehe und dort Saxofon studiere mit 14 um somit die nächste Candy Dulfer oder die nächste große Jazz-Größe zu werden. Und die andere Überlegung war dann, weil ich mich immer schon sehr stark für Mathematik und Technik interessiert habe, aber auch generell für logische Themen, in eine HTL zu gehen. Das mag jetzt sehr, sehr gegenteilig klingen, ist es aber für mich nicht. Weil ich habe für mich, auch retrospektiv betrachtet, ich glaube wenn man sich mit 5 oder 6 Jahren, wo ich Klavier gelernt habe, damit beschäftigt, wie Tonlehre aufgebaut ist, dann hat das wahnsinnig viel mit Logik zu tun. Aber wirklich die Musik macht das Herz und die Leidenschaft aus. Und das glaube ich, war dann so die Kombination, wo ich dann auch erkannt habe: Wahrscheinlich reicht es nicht für die nächste Candy Dulfer und es macht durchaus Sinn, sich eher der logischen Seite zu widmen. Und ich muss gestehen, das war für mich jetzt rückblickend betrachtet, definitiv die richtige Entscheidung. Man kann aber auch nicht sagen, was wäre es, wenn es etwas anderes geworden wäre. Hätte mich eine andere Entscheidung nicht genauso dahingebracht? Vielleicht mit ein paar Abzweigungen. Aber, wie du gesagt hast, auch in vielen Gesprächen mit Kollegen, auch mit Mentees – ich bin auch Mentorin – aber auch in vielen beruflichen Gesprächen mit Kunden von uns …. Ich meine, wenn man mit 14, 15 Jahren programmieren lernt und Projektmanagement-Unterricht hat, dann macht das schon was mit einem. Und darauf kann ich auch mit voller Freude zurückblicken und ich glaube, wir haben heuer 25-jähriges Maturatreffen, was gerade in Planung ist. Wenn ich so schaue, was die Klassenkollegen so machen, es, glaube ich, war für alle eine ganz gute Entscheidung.

 

Marina Herzmayer:    Schön. Und neben dem ganzen Sprechen und sich über Gespräche und Erfahrungen eine Meinung zu machen, hast du auch das Beobachten angesprochen. Deine Geschwister vielleicht auch von Freundinnen und Freunden. Was kann man von reinem Beobachten lernen?

 

Christina Wilfinger:     Ich habe sehr, sehr viel davon gelernt. Weil andere Situationen und Erfahrungen zu reflektieren und dann auch zu übersetzen – Wie hätte ich mit der Person gesprochen? Wie wäre ich mit dieser Situation umgegangen? – ich glaube das bringt einem sehr, sehr viel. Denn man kann nicht jede Erfahrung selbst machen. Natürlich heißt es nicht umsonst, wenn man negative Erfahrungen macht: wieder abschütteln, Krone wieder aufsetzen und weiter spazieren. Aber man kann nicht alle Erfahrungen selbst machen und man kann nicht jede Situation durchleben. Und deshalb ist es immer eine Art Kombination. Wobei ich sage, dieses Beobachten ist gerade im jungen Alter ganz wichtig, weil man ja noch nicht weiß, was auf einen zukommt. Und dann kann man zumindest auch ein paar Dinge ausprobieren, ohne dass man selbst immer wieder hineingetappt ist. Mir hat das sehr, sehr viel gebracht. Und auch jetzt gerade in der jüngsten Vergangenheit … Ich werde auch oft immer darauf angesprochen, ob es bestimmte Führungspersonen gibt, die ich jetzt besonders bewundere oder von denen ich mir etwas abgeschaut habe. Ja natürlich gibt es die. Aber ich könnte jetzt nicht 1, 2 oder 3 Namen nennen, sondern es sind viele. Ich habe immer versucht mir Bausteine oder Elemente, die auch zu mir passen, abzuschauen und für mich zu adaptieren. Weil, es bringt auch nichts, wenn man jemanden kopiert. Weil sobald man jemanden kopiert und es passt nicht zu einer Person selbst, wird es unauthentisch und dann ist man nicht glaubwürdig. Und das merkt das Gegenüber sehr, sehr schnell.

 

Marina Herzmayer:    Das wichtige ist, man muss das Rad nicht immer neu erfinden …

 

Christina Wilfinger:     Nein, definitiv nicht …

 

Marina Herzmayer:    … man darf sich auch einfach Sachen mitnehmen, die einem gefallen.

 

Christina Wilfinger:     Genau. Ganz genau, ja.

 

Marina Herzmayer:    Mhm.

 

Christina Wilfinger:     Ich habe mir viel durch dieses Abkürzen und Abschauen erspart.

 

Marina Herzmayer:    Und dann hast du auch angesprochen … Mentoring, Coaching. Du hast das immer genutzt. Das klingt oft so groß … nach einer Hürde. Wo findet man jetzt, wenn man ein junger Mensch ist, einen Mentor? Oder sind die vielleicht versteckt in Freunden und Familie? Das klingt immer so schwierig zu finden.

 

Christina Wilfinger:     Ja ... Ich kann es nur aus meiner Erfahrung berichten. Und natürlich habe ich jetzt auch ein Netzwerk. Also sobald man irgendwo im Berufsleben ist, natürlich gibt es unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten. Ob das jetzt über bestimmte Vereine oder Netzwerke ist, spezielle Diversity and Inclusion Themen. Wir selbst bieten wahnsinnig viel dazu an. Aber – und das möchte ich auch sagen – man darf nicht glauben, man wird gefunden, sondern man muss schon auch aufstehen und das aktiv wollen und einfordern. Gerade wenn man am Beginn einer Karriere ist oder jetzt irgendwo an einem Scheideweg ist: Welches Studium, welcher Schultyp? Oder vielleicht auch: Möchte ich eine Lehre machen? Ist das das richtige? Ich glaube, einfach zu fragen und aufzustehen, und wenn es jetzt vielleicht nur der Kollege von Mama oder Papa ist, den ich irgendwie gut finde, einmal zu fragen: „Du, hast du einmal eine Stunde Zeit?“ Ich glaube es ist jetzt nicht so etwas, wie es du angesprochen hast, besonderes Großes und es bedarf so viel. Sondern einfach einmal zu fragen und dann sind wir wieder bei dem Punkt von vorhin – neugierig zu sein. Das muss jetzt nicht immer der ausgebildete Mentalcoach sein, sondern mit Personen, wo ich sage: „Die finde ich gut. Das was die tun, finde ich gut.“, ein Gespräch zu suchen. Und ich glaube das werden die wenigsten in irgendeiner Form verneinen oder ablehnen. War zumindest meine Erfahrung.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Und am Ende des Tages haben wir auch selbst ein großartiges Hirn zum Reflektieren, zum ein bisschen … ja … die Gedanken ein bisschen zu strukturieren. Was sind denn so, deiner Erfahrung nach, gute Fragen, die man sich immer wieder stellen kann, um sich wieder einmal selbst herauszufordern? Um sich ein bisschen in eine neue Richtung zu bringen?

 

Christina Wilfinger:     Ja, ja.

 

Marina Herzmayer:    Was sind so die Fragen, die du dir da manchmal stellst oder die immer wieder kommen?

 

Christina Wilfinger:     Ich glaube zwei wesentliche Fragen sind: Macht es mir Spaß und habe ich Leidenschaft dafür, und da immer wieder in sich hineinzuhören. Es gibt keinen Job, der einem 100 %ig Spaß macht, und keine Aufgabe. Aber es sollte schon einen Großteil einnehmen. Es kann natürlich in Phasen oder in Wellenbewegungen sein. Aber diese Grundfreude an dem, was man tut, sollte man schon haben, weil wir beschäftigen uns schon einen Großteil unseres Lebens damit. Ich bin kein Freund von dem Begriff Work Life Balance. Ich finde, das passt eigentlich gar nicht so wirklich. Weil, warum muss ich irgendetwas balancieren, was ich gerne mache? Ich meine, es ist auch im Privatleben nicht immer alles lustig. Also von dem her … Es muss aber schon auch das, was meine Tätigkeit ist, mit dem ich vielleicht auch einen höheren Zweck verfolge – je nachdem in welchem Bereich ich tätig bin, in dem ich mein Einkommen oder mein Gehalt verdiene – es muss schon auch eine gewisse Art von Leidenschaft, Freude und Spaß dabei sein. Nicht jeden Tag, aber wenn das gar nicht mehr da ist, dann sollte man sich schon hinterfragen – warum? Und was kann ich tun, um das zu ändern? Denn es wird niemand anderes kommen. Und ich glaube das ist auch das … dieses Abwarten und irgendwann wird schon jemand kommen und mir sagen ob es links oder rechts geht, das sollte man glaube ich – egal in welchem Lebensabschnitt man ist, ob man jetzt quasi den nächsten Schultyp entscheiden muss, Studium, erster Job – Dinge in die Hand nehmen und selbst ausprobieren. Das ist etwas, das ich jedem gerne mitgeben würde. Und die zweite Frage ist immer so: Wie hätte das, wenn ich in der Situation meines Gegenübers gewesen wäre – das hat viel Konjunktiv – wie hätte das auf mich gewirkt? Wie hätte das Gespräch auf mich gewirkt? Es geht nicht immer alles gut und es geht mir heute auch noch so und ich bin jemand, also meine Kolleginnen und Kollegen, die das jetzt hören, werden vielleicht schmunzeln … Ich kann oft sehr schnell verurteilend sein. Und mir wird auch nachgesagt ein Schnellredner und Schnelldenker zu sein und damit überfahre ich manchmal Leute. Und das wird mir dann erst im Nachhinein bewusst, indem ich versuche wieder zu reflektieren: „Wie wäre denn das bei dir selbst angekommen, wenn jemand in dem Tempo, oder das vorausgesetzt hätte? Da haben ja vielleicht noch zwei Teile gefehlt. Dann darfst du dich nicht wundern, dass man dich nicht so versteht oder dass nicht das passiert, das du erwartet hättest.“ Das sind so für mich immer die zwei Dinge, wo ich versuche mich ein bisschen einzuordnen und wieder einzurichten.

 

Marina Herzmayer:    Also einfach einmal „Habe ich Spaß dabei?“ und ein bisschen aus der eigenen Position hinauszugehen, das hilft auch in vielen Dingen?!

 

Christina Wilfinger:     Ja, absolut. Die Hubschrauberperspektive … oder von außen … so ein bisschen zurückzusteigen und von oben drauf zu schauen oder von unten oder von der Seite …

 

Marina Herzmayer:    Und es heißt ja auch immer, wenn man keine Ziele hat, kommt man nirgends hin. Was waren so deine Ziele als Jugendliche?

 

Christina Wilfinger:     Ich glaube so konkret hatte ich die auch gar nicht. Für mich war es immer klar, dass ich Verantwortung übernehmen möchte. In welcher Form … Es gibt wirklich Leute, die so konkret ein Jobprofil oder eine Jobrolle haben … Ich glaube die Jobs, die es mittlerweile im Digitalbereich gibt, die hätte es noch gar nicht gegeben wie ich 18 war, beziehungsweise die Begriffe und die Technologie dazu waren noch nicht da. Für mich war immer das Thema Verantwortung zu übernehmen ein ganz ein wichtiges … also ein wichtiges, oder etwas, das mich ausgemacht hat. Weil wenn ich irgendwo sehe, wo ich glaube, dass man Dinge besser machen könnte oder anders machen könnte, dann kann ich da nicht leise sein, sondern muss ich sagen, was ich mir denke. Und dann habe ich irgendwann einmal gelernt, einfach nicht nur zu sagen was du dir denkst, sondern mach’s besser. Und mach’s besser heißt am Ende des Tages: „Übernimm die Verantwortung und tu es auch wirklich.“ Und das war schon immer irgendwo mein Wunsch. Eine Rolle auszuüben, eine Rolle auszufüllen, wo ich so eine Möglichkeit habe, dass auch zu gestalten und auch Dinge wirklich zu bewegen, zu verändern, umzubauen und zu gestalten.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Wenn man solche Intensionen in sich drinnen hat, dann kommt man irgendwann zu dem Punkt wo man sagt ok, jetzt darf man sich für einen Job entscheiden. Dann sieht man sehr oft in Jobbeschreibungen oder Jobanforderungen, in dem Fall, Dinge, die ein einzelner Mensch selten vermutlich erfüllt. Das heißt, es stehen immer sehr, sehr viele Sachen drinnen … fünf Jahre Erfahrung braucht sowieso schon jeder. Welchen Tipp würdest du da mitgeben, wenn jemand davorsitzt und sagt: „Das wäre zwar ein guter Job für mich, aber ich erfülle das nicht zur Gänze.“

 

Christina Wilfinger:     Es ist … Oft gibt es natürlich die Hürden über so eine erste HR-Recruiting-Abteilung drüber zu kommen, die einen nach gewissen Fakten screenen. Ich kann jetzt nur von meiner Seite sprechen. Ich finde … und dann auch so diese klassischen Lebensläufe, wo dann drinnen steht „Ich habe fünf Jahre dort gearbeitet; ich habe das studiert und dieses Praktika …“ Es gibt natürlich bestimmte Berufe – und ich möchte jetzt nicht generalisieren, weil ich glaube, eine gewisse Kompetenz, gerade wenn man jetzt im Gesundheitsbereich ist, muss man mitbringen – aber ich bin der festen Überzeugung, dass man fast alles lernen kann, wenn die richtige Einstellung dahinter ist. Und das ist für mich … Was natürlich über einen Lebenslauf oder über eine sehr, sehr nüchterne Jobdescription oft nicht rüber kommt. Deshalb ist halt das persönliche Gespräch unabdingbar, wo man sich einfach kennenlernt. Man muss ja auch wissen, möchte ich mit der Person zusammenarbeiten? Und da kommt es natürlich auch darauf an, in welcher Karrierestufe befindet sich jemand. Wenn ich sage ja, ich suche jemanden, der erst ein oder zwei Jahre Berufserfahrung hat, dann kann ich ja natürlich noch viel, viel mehr breiter werden, als wie, wenn ich sage ich brauche einen super Seniorenexperten, der genau dieses technische Skill-set mitbringt. Aber selbst da sage ich, ich muss nicht zwingend Technik studiert haben oder, gerade in unserem Umfeld, ich muss nicht zwingend programmieren können, um bei uns einen Job zu bekommen. Also ganz im Gegenteil. Wir haben auch Quereinsteiger die aus der Tourismusbranche kommen … Ich weiß, die Touristiker werden mich jetzt dafür nicht loben, weil die suchen selbst händeringend nach Fachkräften, aber auch das ist möglich. Ein paar haben die Hotelfachschule gemacht und können sehr, sehr gut organisieren, mit Stresssituationen umgehen, managen … Warum dann nicht der Einstieg in die Digitalwelt, wenn das Interesse da ist? Und ich sage, inhaltliche Dinge kann man lernen. Aber ja, es ist sicherlich nicht einfach, über so eine Bewerbungshürde drüber zu kommen. Ich kann nur für mich sprechen. Ich finde es immer besonders, wenn Dinge in einem Lebenslauf oder einem Bewerbungsschreiben drinnen sind, die ungewöhnlich sind, die jetzt nicht mainstream sind … So dieses typische „Ich habe das und das studiert. Ich hattee da drei Praktika.“ … Mich interessiert meistens, was der Mensch dahinter gemacht hat wie … keine Ahnung … ich habe ein Hobby und baue nebenbei – ich sage jetzt irgendetwas – Motorräder zusammen und verkaufe die dann. Oder ich habe mit 16 im Freibad in meiner Heimatgemeinde gekellnert, damit ich … So etwas interessiert mich. Den Rest haben wahrscheinlich fünf andere auch. Und ich glaube aus solchen Fakten, oder persönlichen Fakten, kann man sich dann auch ein Bild machen und wird man vielleicht eher über so eine Hürde drüber kommen, wenn ich nicht alle dieser sogenannten Hardfacts erfülle.

 

Marina Herzmayer:    Also auch ein bisschen mutig sein?

 

Christina Wilfinger:     Ja, absolut! Ja.

 

Marina Herzmayer:    Jetzt bist du Geschäftsführerin von SAP, eine Führungskraft. Wie merkt man das, dass man dafür gemacht ist? Weil ich sage, man kann sich sehr viele Stufen hocharbeiten, aber Führungskraft ist noch einmal etwas anderes.

 

Christina Wilfinger:     Ja, das ist auch ein Entwicklungsprozess. Ich glaube niemand kommt so auf die Welt und irgendwann muss man … und das ist glaube ich immer so der erste Punkt, dass ich auch mit vielen Kolleginnen und Kollegen aber auch in meinem bisherigen Werdegang viele Gespräche hatte … man muss einmal den Einstieg schaffen. Es fängt ja niemand irgendwo als Führungskraft an. Es hat jeder irgendwann einmal wo angefangen und dann bekommt man entweder die Chance oder auch nicht. Und ich glaube das ist so der springende Punkt: Man muss auch aufzeigen, dass man das tun möchte. Und ich sage das auch immer wieder in vielen Gesprächen: Warum möchtest du Führungskraft werden? Und da gibt es immer die spannendsten Antworten wie zum Beispiel: „Ja, weil ich möchte einmal ins Management.“ Dann sage ich: „Gut, finde ich spannend. Grundsätzlich gut. Aber warum? Was ist die Intension?“ Dann kann man sagen: Mehr Gehalt … das kommt jetzt wahrscheinlich auf die Abteilung drauf an. Aber ich kann nur sagen, wenn man bei uns im Vertrieb gut ist, verdient man als Vertriebler mehr als im Management … wenn man gut ist. Also das alleine kann es nicht sein. Aber das ist natürlich auch auf die Branche und den Job anders zugeschnitten. Aber was ist eigentlich der Grund? Und ich habe es für mich immer so beantwortet – und das klingt jetzt vielleicht im ersten Schritt nicht ganz nachvollziehbar – aber ich muss als Führungskraft auf der einen Seite auch gewisse Richtungen vorgeben. Ich muss am Ende des Tages die Person sein, die dem Team den Rücken freihält. Und indem ich den Rücken freihalte, muss ich aber bewusst auch oft in die zweite Reihe gehen. Und das ist etwas, das viele Führungskräfte oft nicht so sehen, sondern sich bewusst selbst, ich sage jetzt oft aufblustern, und wohin stellen und oft auch Leistungen und Erfolge von Teammitgliedern als die eigenen verkaufen. Und das ist für mich immer so das … Man muss auch als Führungskraft die Größe haben … Ja, am Ende des Tages habe ich die Verantwortung, nur, ich bin nichts ohne mein Team. Und am Ende des Tages muss das Team oder müssen die Teams die Arbeit machen und die Jobs leisten. Ich kann Rahmenbedingungen dafür schaffen und dann muss ich mich aber auch ab und an in die zweite Reihe stellen. Und das klingt oft ein bisschen seltsam. Also ja, Geschäftsführer … Ja, ich stehe oft vorne, aber das heißt nicht, dass ich für alles verantwortlich bin im doing, sondern ich muss auch bewusst die Verantwortung weitergeben. Dieses Vertrauen in die Teamleiter weitergeben und sagen: „Ja, das ist jetzt dein Thema und für das bist du verantwortlich.“ Am Ende des Tages muss schon auch ich den Kopf hinhalten, aber am Ende des Tages gebe ich dir das Vertrauen und die Verantwortung, dass du das machst. Und ich glaube dieser Entwicklungsprozess, den auch ich durchmachen musste – und der ist bei weitem noch nicht abgeschlossen – da muss man sich hin entwickeln. Das ist jetzt nichts, das man von heute auf morgen lernt. Und das sind dann auch diese Situationen, von denen wir vorher gesprochen haben. Ich habe mir auch viel von anderen Führungspersonen in derselben Ebene einfach nur durchs Abschauen mitgenommen und gesagt: „Ja, gefällt mir eigentlich gut, wie die Person oder derjenige das handelt. Könnte ich auch einmal ausprobieren.“

 

Marina Herzmayer:    Mhm.

 

Christina Wilfinger:     Und so hat sich das entwickelt.

 

Marina Herzmayer:    Also wachsen, indem man andere wachsen lässt.

 

Christina Wilfinger:     Genau.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Jetzt würde ich noch einmal ganz gerne auf diene Vielseitigkeit hingehen. Du hast es angesprochen … dieses Musikalische, dieses Talent, das du hattest. Aber auch eben das große Interesse für Technik und Mathematik. Das sind sehr unterschiedliche Leidenschaften. Würdest du sagen, dass das im Endeffekt ein Vorteil ist, wenn man aus so unterschiedlichen Teilen des Lebens etwas mithereinbringt in seinen Job? War es für dich ein Vorteil?

 

Christina Wilfinger:     Für mich sicherlich. Ich glaube es gibt irgendwann diese Gabelung zwischen: Will ich in ein Thema ganz tief eintauchen und ein Experte sein oder will ich eher der Generalist sein? Und das habe ich sehr früh erkannt, dass ich eher der Generalist bin. Bis zu einer gewissen Ebene haben mich Dinge interessiert, aber ich muss dann nicht im letzten Eck links hinten wissen, warum genau sich diese Formel irgendwie so zusammengesetzt hat und dieser Algorithmus dann doch so funktioniert und welche drei Alternativen es gibt. Also es gibt Personen, denen macht das Spaß, und Gott sei Dank gibt es solche Personen. Ich habe für mich relativ rasch entschieden, dass es das nicht ist. Deshalb hat mir die Vielseitigkeit … ich meine, was ist schon vielseitig … oder diese Kombination, die bei mir eigentlich vorherrscht, schon sehr geholfen. Und ich habe es auch erst kürzlich zu jemandem gesagt, gerade wo es das Thema Sport betrifft, finde ich es auch ganz wichtig, ich meine es gibt nur einen fitten Geist wenn es einen fitten Körper gibt. Natürlich fehlt mir auch die Zeit so viel zu machen, wie ich gerne würde – wem nicht? Aber auch das ist so ein bisschen dieses … ahm … Ich wurde einmal gefragt: „Was machst du denn alles für einen Sport?“ Und ich sagte: „Naja, ich mache eigentlich viel.“ Und das trifft es irgendwie so. Ich kann alles ein bisschen, aber so nichts wirklich professionell [lacht].

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Aber ich finde gerade das ist ja auch sehr spannend zu hören, dass es ok ist. Weil oft hört man dann: „Naja, der macht nie etwas fertig.“ oder „Die bringt nie etwas zu Ende.“ Das sind vielleicht ja auch vielseitige Menschen

 

Christina Wilfinger:     Ja, ja. Absolut. Kann ich nur unterstreichen. Also wie gesagt, man muss nicht in allem exzellent sein. Es gibt sicherlich Dinge, die man besser kann und welche, die man weniger gut kann. Aber das ist dann auch, glaube ich, die große Kunst, als Führungskraft sich ein Team aufzubauen, was eigentlich viel stärker ist als man selbst. Oder genau diese … wo man selbst die Schwächen hat, eigentlich an Stärke mitbringt.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Und du hast es gerade angesprochen vorher … Als du studiert hast oder als du quasi in der Ausbildung warst, gab es viele Sachen noch nicht. Also Digitalisierung, das ganze Technische entwickelt sich sehr, sehr stark weiter. Was glaubst du ist heutzutage wichtiger oder auch für die Zukunft wichtiger … Kreativität oder das technische Verständnis, das digitale Verständnis?

 

Christina Wilfinger:     Ich glaube, dass die Kreativität, weil das ist am Ende des Tages das, was uns als Menschen ausmacht, wichtiger ist; heißt aber nicht, dass ich kein Digitalverständnis benötige. Und wenn man sich heute Kinder im Volksschulalter oder im Kindergartenalter anschaut … Ich meine, ich habe selbst eine Tochter im Kindergarten … Das ist eine andere Selbstverständlichkeit. Was ich mir nur wünschen würde ist, dass dann oft ein bisschen mehr Neugierde ist, wie das funktioniert. Also auch dieses hinnehmen von Dingen – ob das jetzt Smartphones oder Co oder irgendwelche TikTok-Videos bedeuten – was bedeutet das eigentlich dahinter … das ein bisschen mehr zu hinterfragen. Und wenn ich so hinterfrage, dann kann ich daraus auch wieder vielleicht kreative Energie oder Ideen mitnehmen. Ich glaube, dass die Kreativität wichtiger ist, aber ich brauche auch ein technologisches Grundverständnis. Und das wird – egal in welchem Job, egal in welcher Branche, egal in welcher Industrie, ob ich jetzt beim 5-Mann-Tischlereibetrieb oder beim großen ATX-Konzern arbeiten werde – das wird in jedem einzelnen Job wichtig sein.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Weil du gerade deine Tochter angesprochen hast … Ich habe von dir einmal gelesen, du hast gesagt, du würdest gerne mal wieder einen Tag lang Kind sein, um voll in der Gegenwart zu leben.

 

Christina Wilfinger:     Ja. Mhm.

 

Marina Herzmayer:    Welchen Vorteil haben denn Kinder und Jugendliche uns Erwachsenen gegenüber?

 

Christina Wilfinger:     Weil sie in der Gegenwart leben. Also gerade … Ich meine irgendwann natürlich kommen Kinder auch in ein gewisses Zeitschema hinein, aber für die gibt es eigentlich keine Zeit. Sondern die spielen, die leben, die agieren im Hier und Jetzt. Und die denken jetzt nicht über die Handlungen von morgen nach und planen voraus, was ich 1, 2, 3, 4, 5 Wochen passiert, sondern die sind im Hier und Jetzt. Und was mich natürlich dann oft nicht immer ganz geduldig werden lässt – gerade wenn es darum geht, dass wir in der Früh rechtzeitig uns fertig machen um die kleine Maus in den Kindergarten zu bringen – die lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Weil sie spielt jetzt und das ist jetzt ihr Ding und das macht ihr Spaß. Und wenn sie da in ihrer Welt drinnen ist, dann ist sie in ihrer Welt drinnen und dann lässt sie sich davon auch nicht hetzen und beeinflussen. Und das finde ich schon sehr, sehr einen unglaublich spannenden Zugang. Und deshalb stellen auch Kinder wieder … oder beobachten Kinder in diesem Hier und Jetzt viel, viel mehr. Und das fällt mir auch auf als Erwachsener. Das ist jetzt nicht nur mit meiner Tochter so. Sondern wenn man Kinder beobachtet, man sieht, denen fallen Dinge auf in der Umgebung, die mir gar nicht mehr auffallen. Und das finde ich irgendwie schade. Weil wir so durchgetaktet – ich möchte schon sagen Getriebene sind – und das haben Kinder nicht.

 

Marina Herzmayer:    Nimmst du dir ab und zu etwas mit in die Arbeit von deiner Tochter?

 

Christina Wilfinger:     Ja, also sie ist mein … Ich sage es auch immer wieder zu Kolleginnen und Kollegen …

 

Marina Herzmayer:    … deine Mentorin [lacht]?

 

Christina Wilfinger:     Ja, sie ist mein größter Challenger und meine – du hast es gesagt – Mentorin, Herausforderung. Sie ist auch mein Spiegel. Sie hält mir auch regelmäßig den Spiegel vor. Und es ist auch etwas … es hilft dann schon auch am Abend, wenn man heimkommt, wieder herunterzukommen und sich viel mehr auf das Hier und Jetzt zu fokussieren. Das gelingt mir natürlich nicht immer und die Mama hat auch nicht immer die Geduld dafür, aber ich glaube so geht es jedem.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Gibt es noch so einen Rat, den du jungen Menschen, die vor großen Entscheidungen stehen, egal ob beruflich oder privat, mitgeben könntest? So etwas, wo du sagst, das hätte ich gerne gewusst damals?

 

Christina Wilfinger:     Hmm … Ich glaube das wichtigste ist das Thema Mut und nicht abzuwarten, dass irgendjemand anders die Entscheidung trifft. Am Ende des Tages muss man selbst tun. Und dieses … ja, ich kann mich beraten, ich kann mit vielen in ein Gespräch gehen … Aber man darf nicht abwarten darauf, dass irgendjemand kommt und sagt: „Jetzt geh nach links oder geh nach rechts.“ Man muss es selbst tun am Ende des Tages. Und da glaube ich kann man sich schon sehr, sehr früh bewusst sein, dass man auch Entscheidungen trifft, egal in welcher Form, ob das jetzt im privaten Bereich ist, im sportlichen oder im kulturellen, musischen Bereich oder für eine Schulausbildung … Wenn man für etwas eine Leidenschaft hat, dann sollte man auch dafür brennen und dann sollte man sich auch von niemand anderes davon abhalten lassen. Und diesen Mut auch wirklich zu haben, das durchzustehen.

 

Marina Herzmayer:    Vielen herzlichen Dank Christina Wilfinger.

 

Christina Wilfinger:     Herzlichen Dank für das Gespräch. Schön, dass ihr da wart.

 

[Musik]

 

Marina Herzmayer:    Herzlichen Dank an alle Zuhörerinnen und Zuhörer. Wenn euch der Podcast gefallen hat, bewertet ihn bitte auf Apple Podcast und wenn ihr der Meinung seid, diese Folgen sollten mehr Menschen zu hören bekommen, dann empfehlt unser Format gerne weiter.

 

[Musik klingt aus]