Zukunftschancen

Zukunftschancen Staffelfinale - mit Martin Kocher

Episode Summary

Im Staffelfinale von Zukunftschancen ist Bundesminister Marin Kocher zu Gast. Der 49-Jährige ist Volkswirt, ein begnadeter Wissenschaftler und Politiker. Zu Beginn des Jahres 2021 wurde er Bundesminister für Arbeit in Österreich, seit Frühling 2022 hat er darüber hinaus die Wirtschaftsagenden inne. Im Arbeitsleben stets professionell und geradlinig, lernt man ihn in dieser Podcastepisode von seiner persönlichen Seite kennen. Durch das Gespräch führt Marina Herzmayer. Dieser Podcast wird präsentiert vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft. Durch das Gespräch führt Marina Herzmayer.

Episode Notes

Im Staffelfinale vonZukunftschancen ist Bundesminister Marin Kocher zu Gast. Der 49-Jährige ist Volkswirt, ein begnadeter Wissenschaftler und Politiker. Zu Beginn des Jahres 2021 wurde er Bundesminister für Arbeit in Österreich, seit Frühling 2022 hat er darüber hinaus die Wirtschaftsagenden inne. Im Arbeitsleben stets professionell und geradlinig, lernt man ihn in dieser Podcastepisode von seiner persönlichen Seite kennen. 
Durch das Gespräch führt Marina Herzmayer
Dieser Podcast wird präsentiert vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft

Episode Transcription

[Intro-Musik]

 

Marina Herzmayer:    Mein heutiger Gast ist Volkswirt, ein begnadeter Wissenschaftler und Politiker. Martin Kocher ist 49 Jahre alt und seit dem Frühling 2022 nicht nur Arbeitsminister, sondern auch Bundesminister für Wirtschaft in Österreich. Im Arbeitsleben stets professionell und geradlinig, lernen wir ihn heute von seiner persönlichen Seite kennen.

                        Mein Name ist Marina Herzmayer und ich führe heute durch dieses Gespräch.

 

[Musik]

 

Marina Herzmayer:    Ja, Herr Bundesminister … So viele Folgen hat es inzwischen schon gegeben in unserem Podcast rund um das Thema Arbeit. Da darf natürlich irgendwann auch der Bundesminister für Arbeit nicht fehlen. Schön, dass Sie sich heute Zeit genommen haben.

 

Martin Kocher:            Vielen Dank! Ich freue mich darüber, dass wir uns heute austauschen können.

 

Marina Herzmayer:    Ich komme ja direkt aus Ihrer alten oder ursprünglichen Heimat … aus Salzburg. Sind Sie dort noch ab und zu oder trägt es Sie mehr in die große Welt oder nach Wien hinaus?

 

Martin Kocher:            Also ich bin sehr, sehr gerne in Salzburg. Ich bin in Altenmarkt aufgewachsen und bin auch regelmäßig noch dort. Leider zu selten, weil es viele Verpflichtungen in Wien oder anderswo gibt. Aber ich versuche immer wenn es geht, am Wochenende dort zu sein und ein bisschen in den Bergen zu sein oder im Winter Skifahren zu gehen um ein bisschen auszuspannen, sich zu erholen und neue Gedanken zu fassen. Aber ja, ich bin noch dort verwurzelt und sehe mich immer noch als Salzburger.

 

Marina Herzmayer:    Sehr schön. Also zwei begeisterte Skifahrer heute, da kann nichts mehr schiefgehen [lacht].

 

Marin Kocher:             [Lacht] Perfekt.

 

Marina Herzmayer:    Wunderbar! Bevor wir zu Ihrer aktuellen Tätigkeit kommen, würde ich gerne noch ein bisschen ausschweifen. Wir haben ja auch viel mit diversen Berufsgruppen gesprochen, wie sie dazu gekommen sind. Bei Ihnen war es ja auch so, dass Sie nach der Schule in Radstadt Volkswirtschaftslehre studiert haben in Innsbruck und dieses Fachgebiet hat Sie irgendwie nie mehr losgelassen. Wie kam es denn zu dieser Entscheidung und – wie ich das wahrnehme – zu dieser Begeisterung und zu dieser Leidenschaft in diesem Bereich?

 

Martin Kocher:            Ja … da sind es oft Zufälle, die dafür verantwortlich sind. Bei mir auch. Es war so, dass ich einen sehr, sehr inspirierenden Geografie- und Wirtschaftskundelehrer auf einem AHS-Gymnasium hatte und ich habe mich einfach dafür interessiert. Wirtschaft war natürlich ein Thema, das in der AHS gar nicht so wichtig war und ich habe immer das Gefühl gehabt, dass ich zu wenig weiß in diesem Bereich. Ich habe mich dann auch für Physik interessiert und es war ein bisschen unklar, ob ich Physik oder Volkswirtschaftslehre studieren sollte. Ich habe mich immer für die großen Zusammenhänge interessiert. Also weniger für Betriebswirtschaft, obwohl das auch ein interessantes Fachgebiet ist. Ja … und dann habe ich einfach mit VWL in Innsbruck begonnen als Studium und habe es nie bereut danach. Es hat gut gepasst, hätte aber auch anders sein können. Wie immer sind diese Entscheidungen dann doch oft sehr aus dem Bauch heraus getroffen.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Und ist es tatsächlich eine Leidenschaft geworden nach so vielen Jahren? Oder wirklich einfach, dass man sagt, da ist man dann so drinnen, sodass man gar nicht darüber nachdenkt, was man alles geschaffen hat?

 

Martin Kocher:            Also es ist tatsächlich eine gewisse Leidenschaft, das muss man ganz ehrlich sagen, weil ich es als sehr inspirierendes Studium empfunden habe, weil es relativ breit ist. Die meisten wissen gar nicht, wie breit VWL ist. Viele denken einfach an Wirtschaftsprognosen, an Makroökonomik. Es ist aber viel breiter. Es geht um menschliches Entscheiden in allen Lagen, in allen verschiedenen Aspekten. Und man lernt sehr viel über Psychologie, wenn man das macht. Man lernt natürlich auch sehr viel über die rechtlichen Hintergründe und soziologische Hintergründe. Also es ist ein relativ breites Studium, das mich dann immer mehr fasziniert hat und dadurch hat sich auch der Wunsch ergeben, da wissenschaftlich weiter zu machen. Einfach um mehr zu lernen und mehr zu erfahren.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Also es klingt sehr, sehr spannend. Verständlich, dass Sie da so lange geblieben sind. Trotzdem war dann nach 30 Jahren Volkswirtschaftslehre der Sprung in die Politik, oder der Schritt, den Sie gemacht haben. Wie war denn dieser Wechsel für Sie?

 

Martin Kocher:            Ja, der kam sehr überraschend. Ich sehe es auch nicht als einen anderen Beruf. Man bleibt ja letztlich auch in dem Bereich tätig, in dem man vorher tätig war. Oder man geht irgendwann vielleicht wieder zurück. Aber Politik ist natürlich jetzt eine andere Aufgabe. Eine Funktion würde ich fast sagen, und die kam sehr, sehr überraschend, weil ich davor eigentlich nicht politisch tätig war. Ich war ein bisschen in der studierenden Politik, 30 Jahre davor, tätig aber sonst eigentlich gar nicht. Die Anfrage kam total überraschend und wie es oft so ist bei diesen Dingen, muss man sich sehr rasch entscheiden. Und dann habe ich mir gedacht, in einer Phase, wo die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist, wo die Herausforderungen sehr groß sind und wo ich natürlich schon sehr viel auch als Wirtschaftsforscher an Vorschlägen gemacht habe, kannst du eigentlich gar nicht nein sagen. Weil sonst heißt es danach: „Warum hat er sich nicht getraut das auch in der Praxis zu zeigen, was er immer als gute Ratschläge von außen gibt?“ Und dann habe ich relativ rasch entschieden es zu tun.

 

Marina Herzmayer:    Schön. Und es sind dann recht schnell neue und viele Aufgaben dazugekommen, bis dann eben schließlich heuer im Frühling auch noch der Bundesminister für Wirtschaft dazugekommen ist zu dem ganzen Repertoire, kann man sagen. Würden Sie sagen, das war eine Herausforderung oder eine wunderbare Ergänzung zu allem, was davor schon war?

 

Martin Kocher:            Ja, auch das kam überraschend im Mai mit dem überraschenden Rücktritt meiner Vorgängerin und danach einer relativ kurzen Phase. Und die Entscheidung fiel dann sehr, sehr rasch. Auch wieder für mich nicht vorhersehbar. Es ist natürlich von der Aufgabe her eine wunderschöne Aufgabe. Ich glaube, die Bereiche Arbeit und Wirtschaft passen zusammen. Es gibt Synergien. Es gibt natürlich auch Interessenskonflikte, die man ausgleichen muss, im Ministerium und auch darüber hinaus. Aber es ist auch kein Zufall, dass es in vielen Bundesländern oder auch in anderen Ländern der Europäischen Union ähnliche Konstrukte gibt; dass Arbeit und Wirtschaft gemeinsam gedacht werden. Auch der Tourismus ist jetzt im Resort dabei. Aber in den ersten Wochen war es natürlich eine ganz große, auch zeitliche, Herausforderung zwei Ministerien zusammenzulegen, die dann doch relativ groß sind … während einer Legislaturperiode mit allen organisatorischen Fragen, mit den vielen Terminen, mit den zusätzlichen Aufgaben in Brüssel, im Parlament. Das war schon eine recht anspruchsvolle Zeit. Aber es hat sich gut eingependelt und ich bin froh, dass ich jetzt das machen darf. Aber ich war auch vorher nicht unglücklich als Arbeitsminister. Aber jetzt ist natürlich das Aufgabenspektrum etwas breiter geworden.

 

Marina Herzmayer:    Und etwas, was das Ganze auch verbindet: All Ihre Positionen haben Sie in Krisenzeiten angenommen. Das kann man definitiv so bezeichnen. Das war leider so, oder ist leider vielleicht teilweise immer noch so. Wie sind Sie, gerade auch 2021, in diese Aufgaben hineingegangen?

 

Martin Kocher:            Naja, 2021 im Jänner, als ich das Arbeitsresort übernehmen durfte, war natürlich Lockdown, die zweite oder dritte große Welle von Covid und eine ganz andere Ausgangsbasis. Es war auch sehr schwierig, weil es keine normale Politik war. Es gab praktisch keine Treffen, der Ministerrat war zum Teil online. Man kann sich das ja fast gar nicht mehr vorstellen. So schnell vergisst man das. Und dadurch war es sehr speziell da hineinzuwachsen, aber man konnte sich sehr, sehr stark natürlich auf die fachlichen Fragen konzentrieren, weil das Drumherum sehr eingeschränkt war. Es war nicht klar, dass es sich ändern wird und es war auch für mich als Quereinsteiger beziehungsweise Newcomer sehr wichtig, auch dann die Leute kennenzulernen und einschätzen zu können, wie Verhandlungssituationen gut funktionieren; mit wem man reden muss … Wie gesagt, alle Beteiligten besser kennenzulernen. Deswegen bin ich glücklich, dass es nicht mehr so ist. Aber es war natürlich ganz speziell da reinzukommen. Es hat aber auch Vorteile, weil man sich wie gesagt eben auf das Kerngeschäft konzentrieren konnte und im engen Team sehr, sehr intensiv an den damaligen Herausforderungen – die Verlängerung der Kurzarbeit, das Homeoffice-Gesetz war damals gerade aktuell und viele andere Dinge, die zur Krisenbekämpfung notwendig waren – umzusetzen. Aber natürlich hätten wir uns alle sehr gefreut, wenn die Krise, die wir mir Covid erlebt haben, langsam zu Ende gegangen wäre und sich keine neue Krise – jetzt mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und den Energiekosten, die sich daraus ergeben und den Sanktionen und all den anderen geopolitischen Herausforderungen – ergeben hätte. Aber so ist es halt. Jetzt ist es die Aufgabe, da die richtigen Schritte zu setzen.

 

Marina Herzmayer:    Das klingt alles sehr professionell, was Sie auch immer sind in Ihrer Arbeit. Ich habe ja gesagt, wir würden Sie gerne ein bisschen persönlicher kennenlernen heute. Auch mit der Resort-Übernahme 2022 im Frühling, wieder in einer Krisenzeit … Wie ging es da dem privaten Martin Kocher? Ist er ein Typ, der es gerne mag, in Krisenzeiten oder in schwierigen Situationen Lösungen zu finden?

 

Martin Kocher:            Mir wäre es lieber, wenn die Situationen einfacher wären, das ist keine Frage. Ich glaube jedem ist das lieber. Aber ich versuche, egal wie schwierig es ist, immer gleich an die Aufgabe heranzugehen und zu sagen: ‚Ok, gut. Was gibt es für Möglichkeiten? Was können wir tun?‘ Und die Aufgaben dann zu erfüllen. Mein Vorteil, glaube ich, war ein bisschen, dass ich auch schon vor der Zeit als Minister relativ viel gearbeitet habe. Also ich bin es gewohnt, dass es eine relativ große Arbeitsbelastung gibt. Und in Krisenzeiten ist diese manchmal noch höher und natürlich der Druck und der Stress höher, aber das war glücklicherweise jetzt kein so großer Unterschied zu den Zeiten davor. Allerdings ist klar, ist die Verantwortung jetzt – und das ist schon etwas, das man spürt – schon um vieles höher und natürlich denkt man dann manchmal darüber nach. Denn man trifft Entscheidungen, die dann doch potenziell – gerade jetzt im gemeinsamen Resort – mehrere Millionen Menschen betreffen. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Unternehmerinnen und Unternehmer, die Selbständigen … also es gibt schon sehr, sehr große Auswirkungen dessen was man tut. Und das sollte man im tagtäglichen Geschäft ausblenden, weil sonst wird es zu schwierig. Aber man denkt da schon wieder daran und versucht, die Aufgabe so gut es geht zu erfüllen. Mehr kann man eh nicht tun.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Man ist auch nur ein Mensch am Ende des Tages.

 

Martin Kocher:            Natürlich … keine Frage. Und ich glaube, dass man auch – und das ist wichtig in der Politik – immer darauf hinweisen muss, dass die Anspruchshaltung nicht sein kann, dass man alle Probleme lösen kann. Natürlich hat man gewisse Instrumente und natürlich hat man gewisse Möglichkeiten. Man muss sich mit aller Kraft dafür einsetzen aber es ist nicht so, dass man die Zukunft voraussagen kann oder auch einen Zauberstab hat, um alle Probleme zu lösen. Das glaubt eh niemand aber es ist manchmal schon die Erwartungshaltung an die Bundespolitik eine sehr, sehr hohe und es ist wichtig, einfach ganz klar zu sagen: „Ja, es ist gut, wenn die Erwartungshaltung hoch ist. Aber es gibt einfach auch andere und man kann nicht alle Probleme der Welt lösen.“

 

Marina Herzmayer:    Was bei Ihnen aber war … Sie haben sich mit Themen wie Zeitdruck, Unsicherheit, Ungeduld, Vertrauen … all diese Themen … vorab auch schon in diversen Studien und auf wissenschaftlicher Ebene beschäftigt. Wie viel hat Ihnen dieses Hintergrundwissen, das Sie schon mitgebracht haben, in diesen Zeiten geholfen?

 

Marin Kocher:             Ich glaube relativ viel, ehrlich gesagt. Also ich habe gesagt, VWL ist ja das Verständnis über Entscheidungsfindung vom Menschen in verschiedenen Kontexten und es hilft natürlich zu wissen, welche Emotionen Menschen haben, wie Sie auf verschiedene Entscheidungsumwelten reagieren, wie Vertrauen entsteht, wie Kooperation entsteht … All das ist hilfreich. Das ist natürlich immer nur eine Brille auf die Welt und man darf das nicht verallgemeinen und verabsolutieren, weil sonst hat man einen Hammer und sieht überall einen Nagel. Das darf es auch nicht sein. Aber ich glaube, die Voraussetzungen für einen Volkswirt sind ganz gut, weil man einfach ein breites Verständnis hat von gesellschaftlichen Prozessen. Kein Wunder, dass viele Politikerinnen und Politiker wirtschaftlichen oder juristischen Hintergrund haben oder einen anderen gesellschaftspolitischen, gesellschaftswissenschaftlichen – wie Soziologie – Hintergrund haben. Weil man damit einfach ein bisschen bessere Voraussetzungen hat, als zum Beispiel jemand, der einen naturwissenschaftlichen Hintergrund hat. Andererseits, muss man ganz ehrlich sagen, dass das Feld an Entscheidungen, die man in einem Resort treffen muss, so breit ist, dass man nie überall Experte sein kann. Man muss sich immer einlesen, man muss sich immer auf Expertinnen und Experten von außen verlassen, auf die Expertinnen und Experten aus dem eigenen Resort und natürlich auch auf viele andere, die beitragen. Also das schlimmste glaube ich ist, das Gefühl zu haben, dass man eh alles weiß. Das darf es nie geben und das habe ich auch nie gehabt. Weil das würde dazu führen, dass man viel zu selbstbewusst an Entscheidungen herangeht ohne auf viele Menschen zu hören, die das viel besser einschätzen können als man selbst.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Und nach 30 Jahren, die Sie ja auch in der Volkswirtschaft verbracht haben, und eben auch Verhaltensökonomie, gibt es da vielleicht ein Beispiel, das Sie mit uns teilen können, wie Sie das in Ihrer Praxis als Politiker tatsächlich umgesetzt haben? Oder einen Tipp, den man auch mitnehmen kann, wie man da umgeht am besten?

 

Martin Kocher:            [Lacht] Naja, ein Punkt, der für Verhaltensökonomen eigentlich immer sehr wichtig ist, ist die Frage, wie Entscheidungsumwelten gestaltet werden – das framing. Wie sage ich etwas? Frame ich etwas als Verlust oder als Gewinn? Oder zum Beispiel die Frage: „Was ist eigentlich die Entscheidung, die die übliche ist?“ … das sogenannte default, also die Voreinstellung. Oder was ist die Abweichung davon? Und natürlich habe wir gelegentlich überlegt bei den Details der Gestaltung von Maßnahmen, wie man das genau macht bei der Kurzarbeit bei anderen Maßnahmen, dass das gut funktioniert, beim Homeoffice Gesetz. Und dann kommt ein bisschen dazu, dass ich schon versuche, noch weiterhin die makroökonomische Evidenz zu berücksichtigen und zu wissen: Wie wirken sich gewisse Maßnahmen aus? Was sind die Effekte auf den Arbeitsmarkt? Die Effekte auf die Wirtschaft? Das haben wir, glaube ich, sehr umfangreich berücksichtigt. Die Erwartung an mich ist auch gewesen, dass ich versuche, faktenorientiert die Dinge zu erledigen. Und das ist auch der Anspruch, den ich an mich selbst stelle. Aber natürlich ist es immer so, dass es sowohl diese ökonomischen, wissenschaftlichen Überlegungen gibt, aber klarerweise auch rechtliche Aspekte und Rahmenbedingungen. Es gibt politische Rahmenbedingungen und man kann auch keine davon über andere stellen. Ich glaube es ist wichtig, dass man immer alles berücksichtigt.

 

Marina Herzmayer:    Viel zu bedenken, viel erlebt, viel gemacht auch im letzten Jahr. Nach so einem turbulenten 2022, was bleibt Ihnen persönlich da am meisten in Erinnerung? Es muss gar nicht von der Arbeit sein [lacht].

 

Martin Kocher:            [Lacht] Muss gar nicht von der Arbeit sein … Also von der Arbeit bleibt sicher in Erinnerung, diese Tage im Mai, als ich das damalige BMDW, das Ministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, übernehmen durfte. Das war natürlich so überraschend und auch so intensiv die erste Zeit, dass das sicher in Erinnerung bleibt. Ansonsten privat gibt es nicht so viel Zeit, was in Erinnerung bleiben könnte. Aber wir hatten dieses Jahr nach einigen Jahren wieder einmal einen völlig entspannten Urlaub für zwei Wochen, das war zum Bergsteigen im August. Und das war auch eine sehr schöne Erfahrung, nachdem die letzten Jahre das aufgrund von Covid einfach etwas schwieriger war, das so ausführlich und entspannt zu machen.

 

Marina Herzmayer:    Sehr schön. Ich würde jetzt gerne noch einen kleinen Ausblick machen mit Ihnen gemeinsam. Wir haben ja auch, wie gesagt, in diesem letzten Jahr im Podcast sehr viele Themen rund um das Thema Arbeit behandelt. Da waren dabei Veränderungen am Arbeitsmarkt, Vereinbarkeit von Arbeit und Familie war ein großer Schwerpunkt, Arbeitsorientierung für Jugendliche und eben zum Schluss auch die Inklusion. Welche Kernthemen erwarten Sie denn so für die Zukunft oder für das nächste Jahr im Bereich des Arbeitsmarktes?

 

Martin Kocher:            Also im Moment glaube ich sind wir sehr stark durch die aktuelle Entwicklung natürlich beeinflusst und gekennzeichnet. Das ist eine Abschwächung der Konjunktur. Das heißt, es wird natürlich am Arbeitsmarkt auch wieder etwas schwieriger werden. Da bereiten wir uns gut darauf vor. Aber gleichzeitig – das ist glaube ich das Hauptthema, das auch die nächsten Jahre die Arbeitspolitik beschäftigen wird – haben wir einen großen Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel. Der wird sich etwas entspannen angesichts der konjunkturellen Entwicklung, aber der kommt sicher wieder zurück; im nächsten Aufwind noch stärker zurück und er wird auch in dieser Phase der Abschwächung noch weiter bestehen bleiben in gewissen Bereichen. Das heißt, wir müssen jetzt die richtigen Maßnahmen setzen um alle Potentialen die es gibt im Inland und im Ausland vorzubereiten. Da geht es um Qualifizierungsmaßnahmen, da geht es um Vereinbarkeit von Beruf und Familie, da geht es um Ältere am Arbeitsmarkt … also viele Folgen haben ja auch solche Aspekte beinhaltet. Ich habe auch ein paar Teile daraus gehört und fand die immer sehr, sehr spannend. Inklusion ist auch ein wichtiger Aspekt. Also möglichst breit auch den Arbeitsmarkt aufzumachen. Natürlich geht es auch um die Frage von qualifizierter Migration. Also all diese Aspekte werden uns die nächsten Jahre und vor allem nächstes Jahr beschäftigen. Wir haben schon eine Reihe von Schritten gesetzt, aber es werden weitere Schritte nötig sein. Ich glaube man muss sich immer darauf einstellen, dass es nie die ganz große Reform gibt, die dann alles für die nächsten 20 Jahre erledigt. Das ist eher glaube ich in gewissen juristischen Materien manchmal so. Der Arbeitsmarkt … die Wirtschaft … da verändert sich die Welt so rasch, dass man immer Anpassungsbedarf hat und nächstes Jahr wird es sicher der Bereich Fachkräfte und Arbeitskräfte sein. Qualifizierung … das sind so die Hauptbereiche. Natürlich auch die Lehre. Das schöne am neues Resort ist ja auch, früher waren die beiden Resorts zuständig, das Arbeitsresort stärker für die überbetriebliche Lehre, das Wirtschaftsresort stärker für die betriebliche Lehre. Jetzt ist das in einem Resort und das macht es auch einfacher hier eine konsistente Politik zu machen.

 

Marina Herzmayer:    Mhm. Stück für Stück werden wir da alle unseren Beitrag hoffentlich leisten können. Mit dem ganzen Hintergrundwissen, das Sie haben, gibt es Tipps oder Empfehlungen, die man mitgeben kann an unsere Zuhörerinnen und Zuhörer? Vielleicht für das jüngere Publikum oder auch für jene, die in den letzten Jahren eventuell den Job verloren haben. Sie haben gute Arbeit geleistet in diesem Bereich. Aber vielleicht gibt es trotzdem etwas, das man ihnen da mitgeben kann?

 

Martin Kocher:            Also für die Jüngeren glaube ich, hat sich schon auch jetzt seit letztem Jahr substantiell etwas verändert. Wir haben jetzt einen Arbeitsmarkt, wo eigentlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine stärkere Stellung haben als die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, weil es einfach Knappheiten gibt. Wenn man gut qualifiziert ist, kann man es sich heute aussuchen. Man kann sich aussuchen, wo man arbeitet, was man arbeitet. Man kann sich auch aussuchen, wie man teilweise arbeitet. Also es gibt eine relativ gute Wahlmöglichkeit für die jungen Menschen. Für Ältere ist es immer noch etwas schwieriger am Arbeitsmarkt, das ist richtig. Aber auch da hat sich einiges geändert. Da glaube ich ist der wichtigste Punkt, dass man nicht zu früh aufhört, sich weiterzuentwickeln, weiterzubilden, Qualifizierungsmaßnahmen und Qualifizierungsschritte setzt um eben auch bis zum Pensionsantrittsalter am Arbeitsmarkt erfolgreich sein zu können. Da merkt man schon, da hat sich die Geschwindigkeit auch etwas verändert. Das gilt nämlich auch für die Jüngeren. Aber die gehen meistens in vielen Fällen, außer in jenen Fällen, wo wir unterstützen müssen, mit einer soliden Qualifikation in den Arbeitsmarkt hinein. Aber bei den Älteren sehen wir schon, dass diejenigen, die eben in den letzten Jahren vielleicht nicht so viel getan haben in dem Bereich, dann mehr Schwierigkeiten haben. Gerade bei den Älteren ist es so, 50 Prozent die arbeitslos sind, haben maximal einen Pflichtschulabschluss. Nicht ganz 50 Prozent sind es. Also das spielt eine große Rolle. Und natürlich – ein wichtiger Punkt – Gesundheitsvorsorge insgesamt. Gesundheitliche Aspekte spielen am Arbeitsmarkt auch eine große Rolle. Ich glaube es gab auch einige Folgen zu diesem Thema.

 

Marina Herzmayer:    Richtig. Abschließende Frage: Hat Martin Kocher Neujahrsvorsätze?

 

Martin Kocher:            [Lacht] Das ist eine gute Frage! Ich habe irgendwann aufgehört mir Vorsätze zu machen, weil ich sie dann nie eingehalten habe. Ehrlich gesagt, bin ich da gar nicht gut darin.

 

Marina Herzmayer:    Wir haben gehört, Sie stehen mehr auf Überraschungen [lacht]

 

Martin Kocher:            [Lacht] Ja genau! Nein, auch das muss nicht unbedingt sein. Was ich immer versuche, ist natürlich nach der Weihnachtszeit wieder etwas gesünder zu leben. Das machen glaube ich alle. Weil wir alle wissen, in der Weihnachtszeit gibt es doch etwas viel zu essen und so weiter. Aber sonst mache ich mir seit Jahren keine Neujahrsvorsätze mehr.

 

Marina Herzmayer:    Dann wünsche ich Ihnen trotzdem ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2023. Vielen herzlichen Dank, Herr Bundesminister Martin Kocher.

 

Martin Kocher:            Ich danke für das Gespräch! Vielen Dank!

 

[Musik]

 

Marina Herzmayer:    Herzlichen Dank an alle Zuhörerinnen und Zuhörer. Wenn euch der Podcast gefallen hat, bewertet ihn bitte auf Apple Podcast oder Spotify. Und wenn ihr der Meinung seid, diese Folgen sollten mehr Menschen zu hören bekommen, dann empfehlt unser Format gerne weiter.

 

[Musik klingt aus]