Ohne die Arbeit von Dr. Sabine Herlitschka wäre unser Leben kaum noch vorstellbar. Sie ist 56 Jahre alt, Vorstandsvorsitzende des Halbleiterunternehmens Infineon und wurde 2021 vom Wirtschaftsmagazin Trend zur Frau des Jahres gewählt. Durch das Gespräch führt Marina Herzmayer. Dieser Podcast wird präsentiert vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.
Ohne die Arbeit von Dr. Sabine Herlitschka wäre unser Leben kaum noch vorstellbar. Sie ist 56 Jahre alt, Vorstandsvorsitzende des Halbleiterunternehmens Infineon und wurde 2021 vom Wirtschaftsmagazin Trend zur Frau des Jahres gewählt. Durch das Gespräch führt Marina Herzmayer.
Dieser Podcast wird präsentiert vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.
[Intro-Musik]
Marina Herzmayer: Ohne die Arbeit meines heutigen Gastes wäre unser Leben kaum noch vorstellbar. Dr. Sabine Herlitschka ist 56 Jahre alt, Vorstandsvorsitzende des Halbleiterunternehmens Infineon und wurde 2021 vom Wirtschaftsmagazin Trend zur Frau des Jahres gewählt.
Mein Name ist Marina Herzmayer und ich führe heute durch dieses Gespräch.
[Musik]
Sabine Herlitschka: Ja, herzlich willkommen bei Infineon Österreich. Ich freue mich sehr, dass wir heute dieses Gespräch führen können. Sie sind hier bei einem Unternehmen, das dazu beiträgt, dass das Morgen ein bisschen besser wird als das Heute. Und das ist auch etwas, das mich selbst sehr prägt.
Marina Herzmayer: Vielen herzlichen Dank Frau Herlitschka. Ich muss selbst sagen, ich freue mich heute sehr, Sie kennenlernen und vor allem auch unserem Publikum näher bringen zu dürfen. Weil Sie Themen vereinen, die auch mir persönlich sehr wichtig sind und die, glaube ich, allgemein in dieser Zeit heute eine sehr große Bedeutung haben. Das sind Technik, Bildung und vor allem auch die Förderung der Frau. Das ist sehr, sehr spannend mit Ihnen heute. Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen.
Sabine Herlitschka: Sehr gerne.
Marina Herzmayer: Sie selbst haben ja Lebensmittel und Biotechnologie in Wien studiert damals. Hatten Sie da einen Plan? Hatten Sie eine Vorstellung, was Sie beruflich machen möchten danach?
Sabine Herlitschka: Ich habe nie sehr viel davon gehalten, einen Plan lange im Vorhinein zu fassen. Aber es war für mich schon wichtig und eine Überzeugung, dass es darum geht, wie man auch einen Beitrag leisten kann. Und ich war von Anfang an forschungs-affin, technologie-affin und die Universität für Bodenkultur ist eine, die Technik, Naturwissenschaften und auch gesellschaftliche Aspekte verbindet und deswegen erinnere ich mich gerne daran zurück und deswegen war das für mich damals auch sehr attraktiv.
Marina Herzmayer: Das heißt, Sie würden sagen, Sie haben das gar nicht im Laufe der Zeit entdeckt, Ihre Vorliebe und Ihre Begeisterung zum Forschen und Entwickeln? Das war eher so etwas, was Sie intrinsisch mitgebracht haben?
Sabine Herlitschka: Da waren bei mir auch Praktika ganz wesentlich. Ich habe in den Ferien an verschiedenen Stellen gearbeitet, wo ich einen Eindruck von Forschung und Entwicklung gewinnen konnte. Und das andere war auch sicherlich damals die breite gesellschaftliche Diskussion. Damals, Mitte der 80er Jahre, war das Thema Ökologie, Ökonomie eines. Die Besetzung von Hainburg zum Beispiel war so ein Thema. Damals war schon ganz breit die Diskussion, wie schafft man es denn, dass man Ökologie und Ökonomie auch ein Stück weit vereinbaren und zusammenführen kann. Und das habe ich sehr persönlich genommen, eshat mich sehr interessiert und so ist das entstanden.
Marina Herzmayer: Sie sind ja auch heute noch sehr in dem Thema Bildung drinnen und, das kann man so sagen, die Forderung nach mehr Bildung und Ausbildung gerade in den MINT-Fächern ist etwas, was Sie sich anheften. Da hat ja in den letzten Jahren definitiv schon einiges stattgefunden. Zum Beispiel eben dieses Beispiel Schulinitiative in Wolfsberg, die Smart Learning Klassen. Welches Projekt ist das? Was steckt da dahinter?
Sabine Herlitschka: In Summe sind die Smart Learning Klassen eine Initiative, die wir 2019 noch vor der Pandemie gestartet haben. Der Ansatzpunkt war, das Thema Digitalisierung in der Lehre, in der Schule, in der Ausbildung deutlich präsenter zu machen und zu zeigen, wie viel an Möglichkeiten die Digitalisierung gerade im technischen Bereich auch bietet. Jetzt in der Pandemie ist so vieles dann sehr unmittelbar eingetreten. Aber es geht ja nicht nur darum, Lehrveranstaltungen zu übertragen und über Videoplattformen zu streamen, sondern gerade in Österreich das Thema Begeisterung für Technik anders zu vermitteln. Und da haben die HTL’s in Kärnten, die ursprünglichen vier, schon sehr viel an Ansätzen gehabt und dafür haben wir durch die Smart Learning Klassen einen größeren Rahmen geschaffen. Nun sind alle fünf Kärntner HTLs an Bord. Sozusagen auch Ausbildung am Puls der Zeit. Zukunftschancen durch Zukunftsbranchen könnte man auch sagen. Das heißt, Input von uns aus der Praxis eines Unternehmens in der Vernetzung in der Robotik, Industrie 4.0 zum Beispiel. Das waren viele Themen, die wir hier eingebracht haben. Damit wollen wir auch einen Beitrag, dass die Praxisorientierung, die an einer HTL sehr gegeben ist, hier noch unmittelbarer stattfinden kann. Und die HTL Wolfsberg hat sich da besonders engagiert, auch in der Folge. Und deswegen ist das DIGI-Lab dann eine der unmittelbaren Konsequenzen. Wie gesagt, alles vor Corona. Jetzt nach Corona schaut da vieles schon durchaus anders aus.
Marina Herzmayer: Wie kann man sich das trotzdem vorstellen? Ist das wirklich eine Zusammenarbeit? Kommen Leute von Infineon in die Schulen oder kommen die Kinder auch einmal hier in den Komplex? Der ist ja wirklich riesig hier in Villach. Und können sie da wirklich mitarbeiten oder einmal hineinschnuppern? Wie wird das umgesetzt?
Sabine Herlitschka: Genau. Die Lehrenden zum Beispiel, zum Teil auch die Schülerinnen und Schüler, können an unseren SummerSchools oder WinterSchools teilnehmen, also unmittelbar an den Veranstaltungen, die wir auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anbieten. Sie bekommen Lehrmaterialien zur Verfügung gestellt. Aber sie können auch mit Bauteilen von uns, unsere Chips, ganz konkret arbeiten. Und damit wir das ein bisschen griffiger machen, habe ich hier auch Beispiele mit. Was Sie hier sehen – das ist ganz klein auf dieser Karte – ist ein Chip, der bei Radar eingesetzt wird. Also im Auto zum Beispiel – automatisiertes autonomes Fahren irgendwann – da spielt die Radartechnologie als Sensor eine ganz wichtige Rolle und da sieht man, wie klein der hier ist. Das ist so ein Beispiel von Bauteilen, die wir zur Verfügung stellen; wo man aber auch umgekehrt sieht, wo unsere Chips eine Anwendung finden. Ein anderes Beispiel – Sie haben es auch schon angesprochen – das ich besonders gut finde, ist hier ein ganz kleiner Chip. Den sieht man fast überhaupt nicht; Sie sehen die Größe meines Fingers hier im Vergleich. Das ist einer, der die Energieeffizienz ermöglicht. Die Art von Mikroelektronik, an der wir arbeiten, die sogenannte Leistungselektronik, ist im Prinzip Strom intelligent schalten. Das heißt, Verluste so geringhalten, dass man die Potentiale der Energieeffizienz möglichst gut erschließen kann. Und dafür ist dieser kleine Chip verantwortlich. Und das dritte Beispiel, das ich Ihnen noch zeigen möchte – weil wahrscheinlich die meisten von Ihnen das anwenden – ist hier ein kleines Silizium-Mikrofon. Das hat ursprünglich hier bei uns am Standort begonnen, auch ursprünglich in der Forschungskooperation aus einer Dissertation, und das haben wir dann auch eine Zeitlang hier am Standort produziert. Und das kommt in mehr als der Hälfte aller Handys vor, als Mikrofon. Das heißt, ich sage immer ein bisschen scherzhalber, aber es ist mehr als ein Scherz: „Wenn der Sound gut ist, dann hat man hochwahrscheinlich ein Mikrofon von uns.“
Marina Herzmayer: [lacht] Ja, Qualität hat einen Namen?
Sabine Herlitschka: Genau.
Marina Herzmayer: Das wäre ohnedies meine nächste Frage gewesen. Vielleicht können Sie uns da noch ein paar Praxisbeispiele nennen? Gerade Technik und viel Forschung und Entwicklung, das mag im ersten Moment manchmal ein bisschen trocken oder kompliziert klingen. Aber in welchen Endprodukten – jetzt haben wir gerade gehört im Handy zum Beispiel –die wir, wie ich es ja am Anfang genannt habe, im alltäglichen Leben verwenden, sind Chips dabei? Wo kann man da zum Beispiel mitentwickeln, wenn man jetzt an so kleinen Chips mitarbeiten möchte?
Sabine Herlitschka: Mhm. Ein Beispiel, das ich besonders gern mag und es ist höchst aktuell, ist ein CO2-Sensor. Das heißt, mit Mikroelektronik dazu beitragen, dass man den CO2-Gehalt in der Luft messen kann. Der CO2-Gehalt korreliert mit den Aerosolen, jetzt gerade im Zuge der Pandemie. Und auch das ist wieder ein Beispiel, wo wir in Kooperation mit den HTL’s und mit Schulen dann den CO2-Sensor - auch in der Kooperation mit einem Partner aus Tirol - zur Verfügung stellen . Damit kann man die Module dann soweit zusammenführen, dass diese CO2-Sensoren in der Klasse dazu fungieren können, den CO2-Gehalt zu messen und dann genau zu wissen, wann Lüften zum Beispiel angeraten ist und damit die Übertragung des Corona-Virus einzuschränken. Das ist etwas, das gerade in der Pandemie jetzt besonders relevant ist. Pandemie … deutlich darüberhinausgehend, aber trotzdem relevant … Digitalisierung: Wir haben darüber gesprochen, wie groß der Push Richtung Digitalisierung auch ist. Unsere Energiespar-Chips finden sich in mehr als 50 % der Serverfarmen weltweit. Wir haben es gesehen in den ersten Monaten der Pandemie: HomeOffice, HomeSchooling und all diese Formate. Da ist der Datentraffic noch deutlich höher geworden. Umso wichtiger ist es, dass gerade in den Serverfarmen, wo ja schlussendlich auch viel Abwärme entsteht, damit umgerechnet auch viele CO2-Emmissionen, dass man hier möglichst effizient vorgehen kann. Und deswegen freut es uns auch sehr, dass unsere Energiesparchips eben in den Serverfarmen weltweit – mehr als 50 % – prominent vertreten sind.
Marina Herzmayer: Das ist schon sehr praxisorientiert im Endeffekt und alltagsnahe.
Sabine Herlitschka: Ja genau. Aber natürlich auch Automotiv ist eine ganz wichtige Anwendung. Unser größter Anwendungsmarkt. Oder ein Beispiel, wo viele von Ihnen auch unsere Produkte verwenden, ist bei den Bankomatkarten; zum Teil bei den Kreditkarten oder bei den Ausweisen, zum Beispiel bei den Pässen. Wir sind mit dem Sicherheits-Chip bei den Pässen von mehr als 70 Ländern vertreten, zum Beispiel auch der USA. Und als europäisches Unternehmen diese Art der Sicherheitstechnologie für die USA zur Verfügung stellen zu können, das ist schon eine ganz massive Leistung.
Marina Herzmayer: Das erübrigt fast meine nächste Frage. Ich habe ja schon angemerkt, wir sind heute hier in Villach. Welch ein gutes Pflaster ist Österreich für Technik-Fans? Man hört natürlich, wie Sie gesagt haben, von Amerika und von der Welt. Aber was passiert in Österreich? Ist das ein gutes Pflaster für jemanden, der da Fuß fassen möchte?
Sabine Herlitschka: Wir sind heute in Österreich das forschungsstärkste Unternehmen. Das heißt, wir bieten eine Vielzahl hoch attraktiver Chancen für Menschen, die sich mit Technik beschäftigen wollen; die durch Technik auch einen Beitrag leisten wollen; Männer und Frauen. Und bieten dazu eine Vielzahl von Möglichkeiten. Von unseren rund 4.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind über 2.000 in Forschung und Technologie in den unterschiedlichsten Bereichen tätig. Also soll heißen: „Ja, bitte“. [lacht]
Marina Herzmayer: [lacht] Wir haben jetzt viel über Jugendliche, Schüler und Schülerinnen gesprochen. Wie sieht das auf dem technischen Sektor eigentlich aus für, sagen wir einmal Menschen über 40, die sich vielleicht neu orientieren? Gibt es auch da viele Fortbildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten oder ist man da schon „zu alt“?
Sabine Herlitschka: Naja, gerade in der Pandemie hat man ja auch wiederum gesehen, dass viele dann überlegt haben, wie sie sich weiterentwickeln wollen. Das heißt, ich möchte Jedem und Jeder sehr dazu raten, eine Technikausbildung, Weiterqualifizierung, Vertiefung ins Auge zu fassen. Denn die Chancen sind immer extrem hoch. Alleine aus unserer Sicht gesprochen – wir haben aktuell 280 offene Stellen. Der Großteil unmittelbar im Bereich Technik und Innovation. Und das Thema Fachkräftemangel beschäftigt uns in Österreich in Summe. Das heißt, der ganze Technikbereich bietet viele Chancen für jüngere Leute, aber auch später, wenn man sich weiterentwickeln möchte.
Marina Herzmayer: Allgemein, glaube ich, sind Sie ohnedies ein Fan davon, dass man einmal etwas ausprobiert und Dinge versucht. Ich habe nämlich gesehen, es gibt bei euch einen Innovationspreis für den besten Fehler. Das habe ich wunderbar gefunden. Wie ist es zu dieser Idee gekommen und was haben Sie auch beobachtet, was macht das mit den Angestellten oder mit den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen? Öffnet sie das ein bisschen?
Sabine Herlitschka: Ja … wir arbeiten an so spannenden und so herausfordernden Fragestellungen, dass man wirklich die besten Köpfe braucht, um zu den besten Lösungen zu kommen. Und es ist Teil von Forschung und Innovation, dass auf dem Weg natürlich auch Fehler passieren. Gar nicht, weil man jetzt irgendwie unsorgfältig gewesen ist, sondern weil das in der Natur der Sache auch liegt. Und bei der Vielzahl von Möglichkeiten falsch abbiegen zu können und Fehler zu machen, möchte ich sicherstellen, dass man denselben Fehler zumindest nicht mehrfach macht. Und deswegen zeichnen wir mit diesem Preis in der Kategorie Der erfolgreichste Fehler denjenigen Fehler aus, aus dem wir am meisten gelernt haben. Das ist auch eine Haltung von uns, fail fast and learn fast. Das heißt jetzt nicht, dass man nur über Fehler lernt, aber Fehler passieren. Und diese Erfahrung dann zu teilen und sicherzustellen, dass man diese Fehler nicht mehrfach macht – ganz im Gegenteil, daraus interessante Schlussfolgerungen ableitet – das ist das Ziel dieses Preises. Und ich kann mich gut erinnern, als wir den das erste Mal angekündigt haben im großen Belegschaftsmeeting, war es dann schon einmal ziemlich leise … Der erfolgreichste Fehler … Was ist das? Und mittlerweile sind die Teams durchaus stolz, wenn sie den auch bekommen und ja … Es geht im Prinzip um erfolgreiches Lernen.
Marina Herzmayer: Es ist ja auch irgendwie ein Ergebnis, das man mitnimmt.
Sabine Herlitschka: Genau. Ja, genau.
Marina Herzmayer: Mhm.
Sabine Herlitschka: Also es ist eigentlich unser Lernpreis. Und lernen aus Erfahrungen und lernen, vor allem aus Fehlern, ist eine wichtige Qualität.
Marina Herzmayer: Ein weiteres Feld, in dem Sie sich engagieren und das Ihnen sehr wichtig ist, sind Frauen und Mädchen in technischen Berufen. Wenn man das so anschaut, es ist immer noch eine geringe Zahl; es besteht immer noch – nennen wir es einen Mangel. Worauf, würden Sie sagen, ist das zurückzuführen? Ist das in großer Hinsicht auch ein gesellschaftliches Problem, dass immer noch so wenig Frauen und Mädchen in technischen Berufen zu finden sind?
Sabina Herlitschka: Wir haben ein sehr traditionelles Rollenverständnis und dazu gehört leider noch nicht umfänglich, dass Frauen, auch in der Technik sind. Natürlich gibt es viele positive Beispiele und viele Rollenmodelle. Aber gemessen an den Chancen, die die Technik bietet – einerseits inhaltlich andererseits hochattraktive Arbeitsplätze, weil sie damit viele Entwicklungsmöglichkeiten verbinden und nicht zuletzt Technik-Arbeitsplätze sind meistens auch deutlich besser bezahlt – ist es mir einfach ein Anliegen, Menschen darauf aufmerksam zu machen und vor allem Frauen ganz deutlich darauf aufmerksam zu machen. Und der zweite Aspekt – die Art wie wir Technik vermitteln, zusätzlich zu dem traditionellen Rollenverständnis – ist auch etwas, wo wir meines Erachtens schon von anderen Erfahrungen lernen können. Gerade Digitalisierung, das haben wir zuerst schon angesprochen. Digitalisierung kann helfen, gerade auch Technik anschaulich auch mit der Freude zu vermitteln; ein bisschen einen spielerischen Ansatz und damit kann es uns auch besser gelingen, viel breiter Technikbegeisterung zu unterstützen.
Marina Herzmayer: Jetzt engagieren Sie sich schon einige Zeit. Allgemein ist es ein Thema, das die Gesellschaft ein bisschen beschäftigt. Es sollte vielleicht ein bisschen mehr sein. Aber, was schätzen Sie so ein? Immer wieder, wenn ich mit Menschen rede, habe ich das Gefühl: Wir sind noch nicht so 100%ig drinnen. Wie viele Generationen, glauben Sie, braucht es noch, damit es in den Köpfen normal wird? Und vor allem, was mich interessieren würde, wie sehen Sie das? Wo soll man ansetzen? Bei den Frauen oder bei den Männern, hauptsächlich bei diesem Thema?
Sabine Herlitschka: Ich glaube wir brauchen da einen gesellschaftlichen Kraftakt. Sie haben es gesagt: viele Organisationen, viele Unternehmen sind da seit langem sehr aktiv mit verschiedenen Aktivitäten. Ob das die Girls Days sind, wo ich immer viele Erzählungen bekomme, mit leuchtenden Augen gerade auch von den Eltern und den Mädels. Aber ja, je schneller es uns gelingt hier größere Schritte zu erreichen, umso lieber ist es mir. Schlussendlich finde ich aber auch, dass es dann eine gewisse Mission ist von Jedem und Jeder, darauf hinzuarbeiten. Weil schlussendlich, Frauenförderung ist jetzt nicht primär etwas, um Frauen per se zu fördern, sondern geht deutlich darüber hinaus. Es ist eine Art uns als Gesellschaft auch wettbewerbsfähiger zu machen und zu öffnen. Frauenförderung ist eigentlich Gesellschaftsförderung. Und daher ist es schon eine Aufgabe von Männern und Frauen gemeinsam.
Marina Herzmayer: Jetzt ist vermutlich aber auch der Faktor Persönlichkeit oder Selbstbild bei den Frauen oft sehr wichtig, in welchen Rollen sie sich auch wirklich sehen. Wer oder was war es, dass Sie zum Beispiel wachsen lassen hat? Sie sind jetzt unter anderem Vorstandsvorsitzende hier von einem Riesenkonzern. Was waren so Ihre Schritte, wo Sie gewachsen sind und sich auch zugestanden haben: Ich kann das.?
Sabine Herlitschka: Ja, das ist ein Weg, glaube ich, den jeder und jede auch geht. Bei mir hat es Leute gegeben, wo ich mir gedacht habe, puh, das ist ein tolles Beispiel. So möchte ich werden. Oder von der Person kann ich viel lernen … Männer und Frauen. Und ich glaube es ist immer die Kombination von fordern und fördern: dass man sich selber auch öffnet; dass man lernt; eine gute Ausbildung ist da immer eine gute Basis; dass man oft auch Erfahrungen in anderen Bereichen sammelt … ob das im Ausland ist oder sozusagen über die eigene Branche hinausgehend. Und dann finde ich es sehr gut, dass wir viele Formate haben, um diesen Austausch, auch das gegenseitige Lernen, zu unterstützen. Ob das Mentoringprogramme sind, ob das Austauschprogramme sind. Das ist auch super. Und schlussendlich ist es auch eine Art des sich Zutrauens. Es gibt bei jedem dann den Punkt, wo man sagt: Ok, jetzt habe ich mir das gut überlegt und jetzt springe ich auch. Und gerade da ist es mir auch immer wichtig, junge Leute und auch Frauen im Besonderen zu ermutigen. Was kann passieren? Man überlegt sich eine Entscheidung gut und dann probiert man es aus. Und ich halte es für wichtig, auch gerade dieses Ausprobieren und auch das sich trauen. Und da glaube ich, haben wir eine Aufgabe als Gesellschaft. Eine Zutrauenskultur aber auf der anderen Seite auch für jede und jeden ganz persönlich. Am Schluss dann auch den Mut … ja … Was kann im schlimmsten Fall passieren, wenn ich eine falsche Entscheidung treffe? Na gut, ich probiere es noch einmal.
Marina Herzmayer: Mhm. Vielleicht bekomme ich ja den Innovationspreis für den besten Fehler. [lacht]
Ok, das heißt, wirklich weil es mir wichtig ist, zusammengefasst: Beobachten; schauen, was machen andere Menschen gut, was gefällt mir daran? Vielleicht sich auch Hilfe holen … Mentoring, Coaching, was auch immer. Und dann viel Mut, oder?
Sabine Herlitschka: Naja, gute Ausbildung. Ich halte sehr viel von einer guten Ausbildung. Ich gehöre auch nicht zu denjenigen, die über die Schule oder über Ausbildungsinstitutionen scherzen. Ich finde eine gute Ausbildung ist immer die Basis für alles. In der Art, wie wir lernen und lehren, glaube ich, haben wir viele Potentiale. Und dann, genau wie Sie sagen: Einfach über den Tellerrand hinausschauen. Schauen, wer ist interessant? Von wem oder von was glaube ich, dass ich etwas lernen kann? Ja … und dann auch tun. Das Schicksal in die eigene Hand nehmen.
Marina Herzmayer: Und oft auch einfach einmal fragen. Denn Menschen freuen sich, wenn sie helfen können.
Sabine Herlitschka: Selbstverständlich.
Marina Herzmayer: Schauen wir noch einmal kurz zurück in die Unternehmen wirklich selbst. Wir haben ja gesagt, dass der Frauenanteil manchmal nicht so hoch ist. Sie haben selbst einmal gesagt, dass es auch wirklich die gelebten Rahmenbedingungen, um das Ganze für manche Frauen möglich zu machen, braucht. Was meinen Sie damit? Was sind so diese Rahmenbedingungen, die ein Unternehmen bieten sollte, um Frauen jegliche Art der Positionen zu ermöglichen?
Sabine Herlitschka: Naja ganz generell, das wissen wir aus sämtlichen Studien, Kinderbetreuungsmöglichkeiten sind ein ganz wesentliches Element. Von den Kleinen beginnend. Und das hängt natürlich auch wieder mit einem sehr traditionellen Rollenbild zusammen. Kinderbetreuung hängt noch immer in den meisten Fällen ganz stark an den Frauen. Umso wichtiger ist es, dass man Kinderbetreuungsmöglichkeiten anbietet, ganztägig, ganzjährig. Wir tun das seit langer Zeit mit unserem Kindergarten, mit unserer Kindertagesstätte, von den ganz Kleinen beginnend. Mit einem hoch interessanten pädagogischen Konzept. Ja, und das ist ein ganz wesentlicher Punkt, den wir gemeinsam mit Partnern umsetzen.
Marina Herzmayer: Jetzt haben Sie es angesprochen … dieses pädagogische Konzept. Wenn wir jetzt bitte einen ganz kleinen Einblick bekommen.
Sabine Herlitschka: Naja es ist ein bisschen die Logik umdrehen. Erstens einmal: Kinderbetreuung hat ja ganz wesentlich zu tun mit der ersten Bildungsinstitution. Kindergarten, Kindertagesstätte ist die erste Bildungseinrichtung. Und da geht es dann nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern bei uns ist der Ansatz auch der, sozusagen die Logik umzudrehen. Zuerst das Interesse zu stärken. Also die Kinder dazu zu bringen, die Fragen zu stellen. Und darauf aufbauend dann auch Wissen, Information, Erfahrungen zur Verfügung zu stellen. Und wir haben auch einen Schwerpunkt auf Naturwissenschaften und Technik. Warum? Meine Grundthese ist, jedes Kind ist geborene Naturwissenschafterin / Naturwissenschafter. Jeder der Kinder hat, weiß das selber. Denn jedes Kind löchert die Eltern, indem es wissen will, warum ist das Gras grün? Warum entstehen Wolken? Warum regnet es? Wir als Erwachsene müssen nur gute Antworten geben können. Und das ist diese Logik, die wir hier anwenden. Dass wir ausgehend von den Fragen Information und Erfahrungen zur Verfügung stellen. Und als Unternehmen, als Infineon, wir haben da ein breites Spektrum von Maßnahmen. Ob das flexiblere Arbeitszeitmodelle sind; natürlich Entwicklungsprogramme; Frauen in Führungspositionen. Wir haben uns da zum Beispiel auch Ziele gesetzt als Unternehmen. Also wir bieten da ein ganzes Spektrum von Maßnahmen, um Frauen hier auch zu unterstützen und gleichzeitig ist es mir ganz wichtig, deswegen betone ich es noch einmal: Das ist etwas, das uns als Unternehmen und uns als Gesellschaft, Männer und Frauen, stärker macht.
Marina Herzmayer: Das ist ein super Stichwort. Welchen Vorteil hat es denn für ein Unternehmen, einen höheren Frauenanteil zu haben? Gibt es da ganz klare Vorteile?
Sabine Herlitschka: Da gibt es sogar ganz dezidierte Studien, die zeigen, dass diverse Unternehmen einfach deutlich stärker sind und zu besseren Ergebnissen kommen. Auch ganz klar in Finanzergebnissen. Jetzt kann man immer diskutieren Henne – Ei. Was war vorher? Was war nachher? Aber es ändert nichts daran. Es gibt einen Zusammenhang. Diversität, ob Nationalität, ob Kultur, ob Alter zum Beispiel oder eben auch Geschlecht, ist ein Faktor, der die Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Das ist heutzutage Evidenz. Und darüber hinaus ist es natürlich auch eine Frage der Werte einer Gesellschaft. Aber Diversität ist ein positiver Faktor und deswegen leben wir auch Diversität.
Marina Herzmayer: Wir haben jetzt über viele Schwerpunkte gesprochen. Auch über viel Engagement, das Sie leisten. Nicht nur jetzt hier in Kärnten, sondern auch was Bildung betrifft in ganz Österreich. Welche Projekte liegen Ihnen dann da zukünftig ganz besonders am Herzen? Wo möchten Sie besonders viel Energie hineinlegen?
Sabine Herlitschka: Ja, Sie haben schon gesagt eine Vielzahl von Themen. Vieles davon kreist immer wieder um das Thema Ausbildung, Chancen auch zu erschließen. Und zwei Beispiele, die wir heute noch gar nicht so sehr angesprochen haben sind die Caritas Lerncafés. Da arbeiten wir mit der Caritas zusammen und helfen mit, um Kinder, die nicht so gute Möglichkeiten haben, zu unterstützen. Mit Nachmittagsbetreuung, mit Expertise, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die selbst auch Wissen vermitteln. Und da haben wir einen Bildungsfonds aufgesetzt, der dafür die Basis ist. Und ein zweites Beispiel, und das ist mir auch wichtig. Das hat eigentlich begonnen im Zuge der großen Migrationswelle 2015/2016 wo wir bewusst gemeinsam auch mit Partnern, insbesondere dem AMS, geschaut haben auf Flüchtlinge und Leute, die geflüchtet sind mit erteiltem Asylstatus und diesen eine Lehre ermöglicht haben. Mittlerweile haben die ersten die Lehre erfolgreich abgeschlossen und sind fantastische Beispiele von guter Integration. Wir haben in der Folge das auch die Jahre danach wiederholt. Einer von den Kollegen, kann ich mittlerweile sagen, engagiert sich auch als Ausbildner. Also es ist eigentlich ein fantastisches Beispiel, wo man auch zeigen kann, wie Integration wirklich gelingen kann.
Marina Herzmayer: Sehr, sehr schöne Beispiele. Es ist gut zu wissen, dass es solche Vorreiterinnen gibt für die Zukunft. Einfach auch für alle, die jetzt vielleicht in Zukunft in die Arbeitswelt einsteigen oder auch Veränderungen haben. Was würden Sie sagen, bezogen auf die Arbeitswelt, sind jetzt für künftige Arbeitsgenerationen die wichtigsten Eigenschaften, die sie mitbringen oder auch die wichtigsten Werte, die sie verfolgen sollten?
Sabine Herlitschka: Ja ich sage es noch einmal. Ich halte viel davon, einen Bildungspfad auch abzuschließen und dann sich interessieren, schauen, Erfahrungen machen, Praktika zum Beispiel. Wir bieten sehr viele Praktika jedes Jahr an. In andere Bereiche hineinzuschauen und dann auszuprobieren. Mit Technik und Naturwissenschaften wird man Gestalterin und Gestalter der Zukunft. Weil viele der Aufgaben, viele der großen auch gesellschaftlichen Herausforderungen werden wir zu einem Gutteil mit Technik und Naturwissenschaften beantworten können. Und noch so eine Größenordnung oder ein Beispiel von uns: Wir haben letztes Jahr bei uns hier am Standort in Villach rund 8,5 Milliarden Chips produziert. Mit diesen rund 8,5 Milliarden Chips in den diversen Anwendungen können wir dazu beitragen, dass wir 7 Millionen Tonnen CO2 einsparen. 7 Millionen Tonnen CO2 klingt nach einer großen Zahl, aber um ein bisschen ein Gefühl dafür zu vermitteln: Das ist etwas mehr als die Hälfte der jährlichen PKW-Emissionen in ganz Österreich. Also wir können damit auch einen ganz deutlichen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit leisten. Wir reden sehr viel über das Erreichen der Klimaziele und das ist gut so. Und bei uns und bei vielen anderen Unternehmen gibt es viel an Technologien, die ganz konkret dazu beitragen können. Das heißt, wenn man sich hier auch ganz persönlich engagiert, leistet man auch ganz persönlich einen Beitrag. Das sind Jobs, mit ganz viel Sinnstiftung. Und sie machen wahnsinnig viel Spaß.
Marina Herzmayer: Vielen herzlichen Dank Frau Herlitschka für Ihre Expertise und Ihr Engagement und das Vorleben von viel Positivem für die Zukunft. Danke!
Sabine Herlitschka: Sehr gerne.
Marina Herzmayer: Herzlichen Dank an alle Zuhörerinnen und Zuhörer. Wenn euch der Podcast gefallen hat bewertet ihn bitte auf Apple Podcast und wenn ihr der Meinung seid, diese Folgen sollten mehr Menschen zu hören bekommen, dann empfehlt unser Format gerne weiter.
[Musik klingt aus]