Nachdem im ersten Teil des Gesprächs mit Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler und Bundesminister Martin Kocher schon der Tourismus und sein hoher Stellenwert für den Wirtschafts- und Arbeitsmarkt beleuchtet wurde, lernt man in dieser Episode die Menschen hinter den Funktionen ein bisschen besser kennen. Dieser Podcast wird präsentiert vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.
Nachdem im ersten Teil des Gesprächs mit Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler und Bundesminister Martin Kocher schon der Tourismus und sein hoher Stellenwert für den Wirtschafts- und Arbeitsmarkt beleuchtet wurde, lernt man in dieser Episode die Menschen hinter den Funktionen ein bisschen besser kennen.
Dieser Podcast wird präsentiert vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft.
[Intro-Musik]
Nina Kraft: Zukunftschancen, der Podcast des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft. Ungewöhnliche Karrierewege, persönliche Geschichten und vor allem Real-Talk rund ums Thema Arbeit. Der ehrliche Blick hinter die Kulissen von personalities und Organisationen. Heute mit Bundesminister Martin Kocher und Touristikerin und Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler. Ich bin Nina Kraft. Schauen wir einmal, was die beiden heute so ausplaudern.
[Musik]
Nina Kraft: Schön, dass ich euch heute wieder vor dem Mikro erwischt habe. Bundesminister Martin Kocher ist wieder dabei und auch Touristikerin und Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler. Herzlich Willkommen, euch noch einmal.
Den Tourismus und seinen hohen Stellenwert für den Wirtschafts- und Arbeitsmarkt haben wir in der letzten Episode schon beleuchtet. Jetzt wollen wir die Menschen hinter euren Funktionen ein bisschen besser kennenlernen. Also seid ihr bereit für private talk? [lacht]
Susanne Kraus-Winkler: Mal sehen [lacht]
Nina Kraft: „Mal sehen“ … Naja, so schlimm wird es nicht. Susanne und Martin, ihr habt viele Gemeinsamkeiten. Ihr seid beide im Tourismus aufgewachsen, habt beide wirtschaftliche Studien absolviert, seid beide für den Großteil eurer Karriere fernab der Politik gewesen und auch auf der ganzen Welt unterwegs. Wie viel Bedenkzeit gibt man sich für so eine Entscheidung, liebe Susanne, wenn man angerufen wird, Staatssekretärin zu werden? Mit wem bespricht man das? Mit wem tauscht man sich aus?
Susanne Kraus-Winkler: Also Bedenkzeit hat es bei mir überhaupt keine gegeben. Ich bin gerade in Frankreich gewesen bei einem Hotelprojekt und bin am Flughafen aus dem Auto ausgestiegen und bekomme den Anruf, ob ich mir vorstellen könnte, die Position zu machen. Und ich habe gesagt: „Ok, wie viel Zeit habe ich, mir das zu überlegen?“ Und da hat es geheißen: „Keine, denn es wird gerade verhandelt.“ Und ich bekäme gleich einen Anruf. Ich bin dann etwas verstört in den Flughafen hineingegangen und habe versucht meinen Mann anzurufen, um ihn zu fragen, ob er das eh mittragen würde. Dann kam der Anruf, ob ich wirklich zusagen würde und ich habe dann gesagt: „Ja.“ Weil ich hätte mich gar nicht mehr getraut „Nein“ zu sagen. [lacht] Ich bin dann in den Flieger nach Wien retour eingestiegen und habe dort eigentlich so etwas wie Heimweh bekommen, weil ich mir gedacht habe: „Oh Gott, was hab‘ ich da jetzt gemacht?“
Nina Kraft: Ja … sehr ehrlich … und genauso kann ich mir das vorstellen. Jetzt ist es eben so, dass du, genauso wie der Martin, als Externer in die Politik gekommen bist. Welche Vor- und Nachteile hat das?
Susanne Kraus-Winkler: Es ist eine unglaublich spannende und schöne Aufgabe auf der einen Seite und es ist aber, wenn man den Zeitfaktor dazu nimmt und auch privat, eine sehr herausfordernde Situation. Weil man doch sehr viel an Privatzeit aufgeben muss. Oder man kann auch sagen „opfern“ muss. Man muss sich wirklich bemühen, da eine Balance zu finden, was nicht so einfach ist. Und wenn man nicht so erfahren ist, in einem politischen Amt zu sein, weil man da nicht quasi aufgewachsen ist, dann weiß man vor allem auch am Anfang nicht, wo kann man Stopp sagen und wo kann man das nicht; zu Terminen, zu Auftritten, zu Themen. Es ist alles viel angespannter; vor allem am Anfang. Man bekommt dann schon ein gewisses Maß an Routine. Aber es bleibt trotzdem immer wieder, was vor allem die private Zeit betrifft, eine echte Herausforderung.
Nina Kraft: Mhm. Was hat dein Mann dann übrigens gesagt, als du ihn angerufen hast?
Susanne Kraus-Winkler: Nicht viel [lacht]
Nina Kraft: [lacht] Wie öfter, oder …?
Susanne Kraus-Winkler: [lacht] Nein. Also er hat gesagt: „Ja, natürlich.“ Aber es war ein bisschen zögerlich. So kenne ich ihn eigentlich gar nicht. Ich glaube wir waren beide damit beschäftigt, uns im Schnelldurchlauf zu überlegen, was das an Veränderung für unser Leben bedeutet. Und man muss dazu verstehen, ich war damals kurz nach meinem 66. Geburtstag und er war auch schon über 70. Das heißt in dem Alter, auch wenn wir beide noch sehr aktiv sind, bedeutet das natürlich schon eine wesentliche Veränderung von dem, was man sich so an Zeit und Beschäftigung arrangiert hat.
Nina Kraft: Mhm. Jetzt hast du eben sehr ehrlich darüber gesprochen, was man vielleicht auch alles lernen muss, wenn man in dieses Amt kommt. Aber es hat auch viele Vorteile als Externer in die Politik zu kommen. Was würdest du als Vorteil beschreiben?
Susanne Kraus-Winkler: Also der Vorteil ist, dass ich mich nur meiner Leistung verpflichtet fühle und natürlich dem Umfeld, in dem ich mich bewege; dass ich dieses Umfeld nicht schädige, sondern unterstütze.
Nina Kraft: Mhm. Seitdem ist viel passiert, seit diesem Telefonat. Wie schaut heute der Tag als Staatssekretärin aus? Ich kann mir vorstellen, dass das für einen Laien sehr schwer vorstellbar ist: Was macht man da den ganzen Tag? Wann beginnt dein Tag? Wann endet er? Wo beginnt er? Wo endet er? Das ist auch oft nicht so sicher, oder?
Susanne Kraus-Winkler: Also das ist extrem unterschiedlich und von Woche zu Woche auch sehr unterschiedlich. Es gibt Tage, da wird man um 06:30 Uhr abgeholt, weil um 07:00 Uhr schon der erste Termin ist. Es gibt Wochen, da hat man relativ viele Abendtermine. Es gibt Tage, da ist man 14 bis 16 Stunden unterwegs. Und dann gibt es wieder Tage, da geht es sich halbtags aus. Wobei, da spreche ich von den zeitlichen Terminen und nicht von den Vorbereitungszeiten, die man ja auch braucht, wenn man von einem Termin zum nächsten, von einem Interview, von einer Besprechung zur nächsten quasi hetzt, sage ich jetzt einmal. Und ich leide darunter am meisten, dass ich keine Vorbereitungszeit habe. Weil als Expertin brauche ich immer meinen Content. Und dazu brauche ich ein bisschen Zeit. Ich weiß nicht, wie das der Martin macht, aber ich muss meine Newsletter lesen zu den Fachbeiträgen und ich muss meine Studien und meine Expertenpapiere lesen, damit ich mir immer wieder ein neues Bild von all den Bereichen machen kann, um auch dann darüber so zu sprechen, sodass ich das Gefühl habe: „Das ist das, was die Branche braucht oder was ich ihr sagen muss.“ Und wenn ich diese Zeit nicht habe, macht mich das extrem unrund.
Nina Kraft: Fragen wir gleich nach: Martin, wie ist das bei dir? Ich kann mir vorstellen, es geht dann auch immer ganz viel um Zahlen, die du ständig aktualisiert in deinem Kopf behalten musst.
Martin Kocher: Ja, und als ehemaliger Wissenschaftler ist das noch einmal schlimmer. Weil als Wissenschaftler, wenn einmal irgendeine Frage aufkommt, ist die erste Reaktion: So, jetzt muss ich mich einmal hinsetzen, etwas lesen und einmal nachschauen, was es da so gibt. Und dann hat man einmal zwei bis drei Wochen Zeit und danach kann ich sagen, wie ich das einschätze. Und jetzt hat man keine zwei, drei Wochen, sondern manchmal nur zwei, drei Minuten. Das war natürlich eine große Herausforderung das zu lernen. Man gewöhnt sich in gewisser Weise daran. Man hat natürlich ein gewisses Konzept. Man hat gewisse Zahlen, die man immer im Kopf hat und auch immer updatet. Man hat eine gewisse Routine, wie man sich an Wochenende in der Früh oder am Abend, wenn man kurz Zeit hat, auch wieder neue Informationen anliest oder wo man sie herbekommt. Aber es ist natürlich sehr herausfordernd. Man weiß – das war eine der großen Lehren in der Politik – die Breite der jeweiligen Aufgabe ist groß. Es gibt verschiedenste Themen und überall auch wirklich so ein Niveau zu erreichen, dass man Expertise auch ausstrahlt, ist gar nicht so einfach. Und das ist mir jetzt in Bereichen, wo man sich von vorne herein auskennt, einfacher. Deswegen bin ich sehr froh im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft zu sein und du [Susanne Kraus-Winkler] sicher auch im Tourismus. Denn das könnte auch ein ganz anderes Resort sein und das ist dann noch einmal mehr Herausforderung. Aber klar, auch im Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft gibt es die unterschiedlichsten Themen.
Nina Kraft: Wenn man junge Menschen heute fragt, was ihnen bei der Berufswahl wichtig ist, dann kommt ganz, ganz oft die Antwort: „Die Arbeit muss Sinn stiften.“ Wie ist das in deinem Fall, Martin? Wie viel Sinn stiftet deine Arbeit?
Martin Kocher: Also für mich ist das ein großes Privileg, dass ich das als Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft machen darf. Denn ich glaube es stiftet von sich aus Sinn, wenn man für die Menschen in Österreich arbeiten darf. Das ist nicht selbstverständlich. Und deshalb glaube ich, muss man sich als Politiker immer vor Augen führen – egal auf welcher Ebene; in dem Fall ist es die Bundesebene, aber jeder Bürgermeister und jede Bürgermeisterin, jeder Landespolitiker, jeder Parlamentarier, egal in welchem Parlament arbeitet für die Menschen hier – dass das ein großes Privileg ist. Was, glaube ich, dann ganz generell den Arbeitsalltag betrifft, gibt es sehr unterschiedliche Menschen und unterschiedliche Konzepte von Sinnstiftung. Für mich ist das sehr entscheidend, wie der Arbeitsalltag im Team ausschaut. Ich bin ein relativ sozialer Menschen und wenn das im Team gut funktioniert, wenn man sich wohl fühlt am Arbeitsplatz, wenn man gerne dort hingeht und die Menschen gerne trifft, mit denen man zusammenarbeitet, dann stiftet das extrem viel Sinn für mich persönlich. Aber es gibt sicher auch Leute, die ganz andere sinnstiftende Elemente haben.
Nina Kraft: Und dennoch seid ihr beide in einem Beruf, wo man wahrscheinlich regelmäßig an seine Belastungsgrenze stößt. Dann muss Ausgleich her. Wie ist das in deinem Fall, Susanne? Da kommen ein paar Tiere zusammen.
Susanne Kraus-Winkler: Ja. Also grundsätzlich, das mit dem Ausgleich halte ich für sehr, sehr wichtig. Es ist nur so, dass das, was ich früher unter Ausgleich verstanden habe, jetzt eine völlig andere zeitliche Dimension hat [lacht]. Irgendwie regelmäßig einem Hobby nachzugehen, regelmäßig Freunden zuzusagen oder in der Familie regelmäßig Aufgaben zu übernehmen ist nicht immer einfach. Das geht sich nur teilweise aus. Ich habe immer, schon seit meiner Jugend, viele Tiere um mich gehabt. Seit meinem 12. Lebensjahr habe ich Islandpferde und reite Islandpferde. Ich habe in der Zeit auch zwischendurch immer Turniere gerichtet und ich war im internationalen Islandpferdeverband tätig. Also war ich international auch sehr viel unterwegs. Das war sehr spannend, weil das immer so Communities sind, in denen man sich oftmals auch mit sehr vielen Freunden ein Thema teilt. Ich habe jetzt wieder ein Islandpferd, seit zirka vier Jahren. Eine sehr nette Stute, die sehr gut geht; selbst importiert aus Island. Und ich habe immer Hunde gehabt. Im Moment haben wir noch zwei Labrador und einen Border Collie. Den Border Collie habe ich dazu genommen weil ich gedacht habe, der eine 15 Jahre alte Labrador wird uns bald verlassen, damit der andere nicht alleine ist. Mittlerweile ist der alte so in der Gruppe glücklich, dass er uns Gott sei Dank nicht verlässt und deswegen, der Border Collie schon drei Jahre alt ist [lacht] und wir jetzt mit drei statt mit zwei Hunden befasst sind. Aber ich liebe es einfach, mit Tieren zusammen zu sein. Tiere, Pferde, aber auch Hunde, haben ein großes Herzchakra und das gibt sehr, sehr viel Energie … unbewusst. Und auch wenn Kinder mit Hunden oder Tieren aufwachsen … diese Liebe, die man dann in sich selbst lernt aufzubauen, wenn man die Tiere liebt, das ist auch etwas, was man Kindern mitgeben kann.
Nina Kraft: Da hake ich gleich nach: Du bist Mutter von drei Kindern und mittlerweile auch schon Oma. Was gibst du deinen Enkelkindern mit? Ich finde ja Großeltern, Oma’s im Speziellen, haben immer eine Sonderstellung im Leben.
Susanne Kraus-Winkler: Also viel Zeit für das Oma-Sein habe ich im Moment eigentlich gar nicht, deswegen habe ich auch ein schlechtes Gewissen. Aber auf der anderen Seite muss ich zugestehen, dass ich immer gearbeitet habe; auch während meine Kinder klein waren. Ich hatte auch nicht genug Geduld, den ganzen Tag auf ein Kind aufzupassen. Aber ich habe es immer gut organisiert und unsere Kinder sind ganz tolle Menschen geworden. Was ich ihnen mitgegeben habe, um die Frage zu beantworten: Einer der wichtigsten Punkte war das Thema Reflexion. Sich selbst immer wieder durch Reflexion aus einer Situation herausholen zu können; zu wissen, wo man steht; zu wissen, wo seine Gefühle stehen. Also dieses sich selbst reflektieren können und das auch ausdrücken können gegen jemand anderen hilft einem schon, die Lösung zu finden. Ein zweiter Punkt ist, dass man die Suche nach Zufriedenheit in sein Leben einbaut. Weil Zufriedenheit einfach ganz, ganz wichtig ist und auch viel Kraft gibt. Und als zusätzlichen Punkt noch: Freude an Leitung. Also Leistung ist etwas, das im Leben Sinn gibt, wie vorhin besprochen wurde. Egal welche Leistung es ist. Nicht nur die Arbeitsleistung, es ist auch die Leistung in der Familie, an der Familie, an Freunden, an der Gesellschaft. Und diese Freude an Leistung macht Leistung eben sinnstiftend und besser. Und das habe ich versucht weiterzugeben und ich glaube, das ist recht gut gelungen.
Nina Kraft: Ihr wart beide auf der ganzen Welt unterwegs, beruflich und privat. Diese Offenheit gegenüber neuen Kulturen und Eindrücken … Was bringt euch das heute in eurem persönlichen und eurem beruflichen Leben?
Martin Kocher: Also das ist, glaube ich, eine Bereicherung, die man gar nicht anders bekommen kann. Also man kann sich das nicht anlesen. Wenn man viel im Ausland unterwegs ist und auch dort gelebt und gearbeitet hat, lernt man einfach extrem viel darüber, wie man Dinge unterschiedlich sehen kann und wie Kulturen unterschiedlich funktionieren. Man lernt sehr interessante Menschen kennen und findet Freundinnen und Freunde fürs Leben. Also es ist eine Bereicherung, die großartig ist. Nicht alles können das, aber ich glaube mittlerweile gibt es auch für viele junge Menschen die Möglichkeit. Egal ob man jetzt ein Studium oder eine Lehre macht, es gibt die Möglichkeit ins Ausland zu gehen. Ich kann das nur allen empfehlen. Da geht es gar nicht so sehr, um die Dinge, die dann später vielleicht beruflichen Erfolg versprechen oder um Fremdsprachenkenntnisse, die es einfacher machen im Berufsleben. Es geht um die persönliche Bereicherung. Und es war für mich fast jeder Aufenthalt im Ausland persönlich extrem bereichernd.
Nina Kraft: Susanne, wie war das bei dir?
Susanne Kraus-Winkler: Also Tourismus und Reisen ist ja per se schon eine internationale Komponente. Man sammelt permanent Erfahrungen, weil man immer wieder mit internationalen Menschen und Landschaften und Kulturen zusammenkommt. Ich habe das aber auch sehr spannend gehabt in diesem internationalen Islandpferdeverein, wo man sehr oft in den skandinavischen Ländern unterwegs war und diese Dynamik in einem Verband erlebt hat, zwischen den verschiedenen Ländern und Kulturen in Europa. Aber dasselbe hat dann wieder stattgefunden, wie ich HOTREC Vorstand und Präsidentin war. Das ist in Brüssel der Verband der Europäischen Hotels und Restaurants. Auch dort war es so, dass diese unterschiedlichen Kulturen, dieses miteinander umgehen lernen, trotz der Unterschiedlichkeit manchmal der Entscheidungsfindung … Also es ist ein totaler Unterschied, wenn die Franzosen, oder die Italiener oder die Deutschen ein Problem lösen wollen und man dann vielleicht als Präsident da irgendwie versuchen muss alle unter einen Hut zu bringen. Das hat mich persönlich sehr viel weitergebracht. Das hat mir persönlich sehr viel Freude gemacht. Und was der Martin vorher gesagt hat, kann ich nur hundertprozentig unterstreichen.
Nina Kraft: Man hat generell den Eindruck, ihr seid beide sehr reflektierte Menschen. Bleibt Zeit zu lesen? Und wenn ja, gibt es eine Empfehlung oder einen Management-Ratgeber oder auch ein anderes Buch, das wir unbedingt lesen sollten?
Martin Kocher: Soll ich jetzt starten? Also leider bleibt viel zu wenig Zeit fürs Lesen. Ich lese natürlich viele Briefing-Unterlagen und kürzere Dinge. Bücher leider viel zu selten. Um ganz ehrlich zu sein war ich nie ein großer Fan von Ratgebern, was Management oder diese Dinge betrifft. Ich glaube, da muss jeder seine eigenen Wege finden. Es ist glaube ich wichtiger zu reflektieren, mit Menschen zu sprechen, die einen gut kennen, verschiedene Angebote zu nutzen. Aber Ratgeber habe ich immer etwas holzschnittartig empfunden. Es gibt einen Satz … Ich glaube es war Christine Nöstlinger, die gesagt hat: „Als junger Mensch lass dir nicht zu viel raten.“ Also es ist tatsächlich glaube ich gut, den eigenen Weg zu finden. Deswegen empfehle ich jetzt keinen Ratgeber.
Nina Kraft: Susanne?
Susanne Kraus-Winkler: Wie ich noch jünger war und ganze Bücher gelesen habe, weil ich die Zeit dazu hatte, ist man natürlich an Büchern wie Führen Leiste, Leben von Fredmud Malik nicht vorbeigekommen oder Der fünfte Berg von Paulo Coelho. Das eine ist in die Richtung Management, das andere in die Richtung Lebensphilosophie. Aber jetzt ist halt die Zeit nicht mehr da. Ich bin auch viel ungeduldiger. Deswegen habe ich so ein Blinkist-Abo und lese dort dann immer, was gerade zu meiner Stimmung passt. Das ist der Vorteil. Und ich bin auch innerhalb von einer halben Stunde oder einer Stunde mit so einer Kurzzusammenfassung fertig. Und Zeit ist jetzt relativ viel weniger da. Aber manchmal, so wie heute, 04:18 Uhr in der Früh, wenn man nicht mehr schlafen kann, weil man so viel im Kopf hat, dann ist ein bisschen mehr Zeit zum Lesen da.
Nina Kraft: Oder zum Podcast-Hören [lacht] Das ist auch eine Möglichkeit. Zum Beispiel den Zukunftschancen-Podcast. Aber wenn jetzt jemand zuhört und sich denkt: „Was die Susanne und der Martin sagen, finde ich irrsinnig spannend. Ich will mehr davon.“ Susanne, wie schaut es aus mit einer Karriere im Tourismus? Wo gibt es überall Chancen durchzustarten? Wer wird gesucht?
Susanne Kraus-Winkler: Also der Tourismus ist ja eine Branche, wo man innerhalb des Betriebs oftmals sehr, sehr viele unterschiedliche Berufsfelder hat. Und dann noch aufgrund der Komplexität der Organisation auch sehr viele unterschiedliche Verantwortungen haben kann. Das heißt, man hat eine sehr, sehr große Bandbreite, die man ausprobieren kann und innerhalb der man sich verwirklichen kann. Also ich sage als Beispiel im Service: einfach nur normales Service machen oder ein Team führen oder auf der strategischen Ebene arbeiten mit Teamleitern. In der Küche, habe ich schon bei dem anderen Podcast angesprochen, wo sehr viel Innovation und Kreativität gefragt ist und auch sehr viel Teamgeist. Und trotzdem existieren alleine in der Küche unterschiedliche Plätze: entweder kalter Platz oder Entremetier oder Saucier oder Patissier … also unterschiedlichste Möglichkeiten. Dasselbe betrifft die Spa‘s, die wir heute haben. Das betrifft das Management, das Marketing, das Controlling, die Buchhaltung, die Rezeption. Es ist so vielfältig und man kann sich da wirklich seinen Lieblingsplatz beruflich aussuchen. Man kann vieles ausprobieren und man kann dann auch schauen, wie weit man mehr in den strategischen Bereich oder lieber ganz an der Basis bleiben möchte. Das, glaube ich, ist eine tolle Geschichte.
Nina Kraft: Man muss auch nicht dort bleiben, wo man anfängt, oder? Das muss man auch einmal sagen. Es gibt ja Entwicklungspotential in jedem Unternehmen im Tourismus.
Susanne Kraus-Winkler: Genau. Diese Vielfalt, sowohl im Bereich der unterschiedlichen Management-Hierarchien, als auch im Bereich der unterschiedlichen Plätze und Abteilungen, gibt sehr, sehr viele Möglichkeiten.
Nina Kraft: Auch die Lehre im Tourismus ist gefragt?
Susanne Kraus-Winkler: Die Lehre ist eines der Erfolgsmodelle, die wir in Österreich haben. Nicht nur im Tourismus, sondern in allen Berufen. Ich nehme an, der Martin wird dazu vielleicht noch ein bisschen sagen. Die Lehre muss unbedingt erhalten bleiben. Was aber sehr wohl im Moment zur Diskussion steht, sind Themen wie Erwachsenenlehre, Flexibilität der Lehrpläne (weil wir so schnell Veränderungen haben und das muss viel schneller auch in die Vermittlung einfließen können), Qualitätskontrollen. Lehre ist sehr, sehr stark unter Druck, was die Qualität der Vermittlung und der Ausbildung betrifft, wenn man sichs erhalten wollen erfolgreich. Und natürlich auch dann die nächsten Ausbildungsschritte. Es gibt mittlerweile Lehre mit Matura-Programme. Aber es gibt auch Lehre, wo man, wenn man sich nach dem Lehrabschluss in Richtung Bachelor bewegen möchte und ein bestimmtes Maß an Berufserfahrung hinter sich gebracht hat, auch in so etwas einsteigen kann. Also ich glaube die Lehre ist die beste Möglichkeit einzusteigen.
Nina Kraft: Du nickst [Martin]
Martin Kocher: Ich kann das natürlich nur bestätigen. Wir werden, und das wissen viele in Österreich gar nicht, auf der ganzen Welt für unser System der dualen Ausbildung der Lehre beneidet. Wir haben Abkommen mit vielen Ländern. Zum Beispiel waren wir letztes Jahr in Tunesien. Dort gibt es Programme, wo die österreichische Systematik der Lehre – gerade im Tourismus – auch verwendet wird und wo wir unterstützen. Ich glaube es ist wichtig, dass wir möglichst viele junge Menschen für eine Lehre begeistern. Nicht nur im Tourismus, sondern durchgehend. Und schauen, dass die Lehre eben – wie du sagst, Susanne – immer aktuell bleibt zu den Inhalten und so inklusiv wie möglich ist, also möglichst viele Menschen auch mitnehmen kann.
Nina Kraft: Wenn wir so viel über die jungen Menschen sprechen … Was hättest du, liebe Susanne, gerne schon mit 20 gewusst, was du jetzt weißt?
Susanne Kraus-Winkler: Ich bin als junges Mädchen aufgewachsen mit einem Vater, der nie einen Unterschied zwischen Sohn und Tochter gemacht hat und mit zwei Großmüttern, die als Witwen Wirtinnen waren, die Kinder großziehen mussten und mir immer ein sehr starkes Frauenbild mitgegeben haben. Aber in einer Zeit, wo das starke Frauenbild nicht so einfach zu leben war. Wenn ich mit 20 gewusst hätte, dass ich mit noch viel mehr Selbstsicherheit als Frau in die Berufswelt und auch in die Gesellschaft einsteigen kann, dann hätte ich das wahrscheinlich gemacht. Ich bewundere jetzt die jungen Frauen, mit welcher Selbstsicherheit – sowohl beruflich als auch privat – sie schon mit 20 oder 25 auf alles zugehen.
Nina Kraft: Schöner Gedanke. Martin, gibt es etwas, wo du dir denkst: „Das hätte ich eigentlich schon viel früher machen sollen.“ Was du mittlerweile gemacht hast?
Martin Kocher: Da gibt es natürlich vieles. Aber ein Punkt war sicher die Tatsache, dass ich erst relativ spät – ich war damals schon gut 30 – zum ersten Mal im Ausland gearbeitet habe. Ich war zwar davor schon oft im Ausland aber erst mit 30 habe ich eine Stelle angenommen in Amsterdam, an der Universität. Das hätte ich viel früher machen sollen. Das wäre auch möglich gewesen. Aber ich habe es immer wieder verschoben, weil es irgendwie nicht ging. Und ein zweiter Punkt betrifft Privates. Ich koche sehr gerne. Das wissen vielleicht viele nicht. Ich habe aber sehr spät damit begonnen. Als Jugendlicher hatte ich keine Ahnung und dann war es irgendwie der Zwang als Studierender, dass man sich selbst versorgt. Und es hat mir immer mehr Spaß gemacht und ich koche jetzt wirklich sehr, sehr gerne. Und hätte einfach gerne viel früher noch viel mehr mitbekommen, auch von meiner Großmutter, die sehr viel gekocht hat. Aber damals habe ich kein Interesse daran gehabt.
Nina Kraft: Welches Rezept wird heute noch gekocht?
Martin Kocher: Heute wird es etwas Kaltes geben, weil ich relativ spät nachhause komme. Am Wochenende gibt es hoffentlich Fisch mit Gemüse. Das ist etwas Gutes und Gesundes und hoffentlich einigermaßen schmackhaft.
Nina Kraft: Dann bedanke ich mich recht herzlich! Susanne Kraus-Winkler, Martin Kocher, dankeschön für eure schönen Einblicke.
Martin Kocher: Danke.
Susanne Kraus-Winkler: Gerne.
[Musik klingt aus]